Arbeiten in der Höhe mit Sicherheit auf höchstem Niveau

Was einst als sportlicher Wettbewerb unter Höhen­arbeitern begann, hat sich mittlerweile zum hochrangigen Event für alle Aspekte von seilgestützten Zugangs- und Positionierungs­verfahren (SZP) entwickelt_ Zum mittlerweile 10. Technik­seminar, veranstaltet vom Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT), sind im November mehr als 200 Teilnehmer nach Essen ins »Oktogon« der Zeche Zollverein gekommen, um sich bei Vorträgen, Workshops und Diskussionen sowie durch Live-Vorführungen und Produkt-Präsentationen auf den neuesten Stand zu bringen.

Lesedauer: min

Von Jan Rieken
So unterschiedlich die etwa 210 Teilnehmer auch sein mögen, eins haben sie gemeinsam_ Jeder würde bei Arbeiten am Seil in gefährlicher Höhe seinem Kollegen jederzeit blind vertrauen und damit sein Leben in die Hände eines anderen legen. Mit Recht_ Während laut Unfallstatistik der BG Bau 40 % aller tödlichen Unfälle im Baugewerbe Abstürze als Ursache haben (die bauSICHERHEIT berichtete in Heft 6/17, Seite 51), ist es bei ­zertifizierten Anwendern von SZP in den vergangenen Jahren deutschlandweit zu keinen tödlichen Unfällen gekommen.Einsatz für Rechts- und Arbeitssicherheit
Dass das so bleibt, ist das erklärte Ziel des FISAT und seiner Mitglieder, die sich sowohl aus Her­stellern und Praktikern aus dem Bereich Höhenarbeit zusammensetzen. Nach der Gründung im Jahr 1995 hat sich der Verband im Laufe seiner Geschichte für verschiedenste Belange eingesetzt, nachdem es lange Zeit auch große Rechtsunsicherheit beim Einsatz seilunterstützter Zugangstechniken gab. Nachdem noch im Jahr 1994 Baustellen, auf denen SZP zum Einsatz kam, geschlossen wurden, brachte das Folgejahr mit der Verhüllung des Berliner Reichstags den Durchbruch_ Mitglieder des neu gegründeten FISAT waren Teil einer Delegation, die zum Fachausschuss Bau entsendet wurde. Zuvor hatte der heutige Generalsekretär Frank Seltenheim, damals noch kein FISAT-Mitglied, eine Ausnahmegenehmigung erwirkt für den Einsatz von SZP bei der Reichstagsverhüllung.
Bei der Erarbeitung von Normen und Standards für Sicherheit, Ausbildung und Zertifizierung arbeitet der Verband von Anfang an eng mit der Berufsgenossenschaft BAU zusammen, um für gleichbleibend hohe Sicherheit zu sorgen und einen unfallfreien Einsatz von Mensch und Material zu gewährleisten (s. Infokasten).
Heute gibt es eine Fülle von Regeln, Initiativen und Vorschriften – unter anderem regelt auf europäischer Ebene die Richtlinie 2009/104/EG, welche Arbeitsmittel für das zeitweilige Arbeiten an hochgelegenen Arbeitsplätzen bereitgestellt werden müssen. Diese Vorgaben sind als Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) in deutsches Recht übernommen und gelten nicht nur für SZP, sondern schließen auch Komponenten der Persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) mit ein, also Gerüste und Leitern. Weitere Vorgaben zur Vermeidung von Abstürzen machen die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS), für seil­gestützte Arbeiten in der Höhe insbesondere die TRBS 2121. Seit 2016 gibt es außerdem eine Info-Broschüre der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV-Information 212-001), die sich mit »Arbeiten unter Verwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren« befasst.»Faktor Mensch« steht im Mittelpunkt
Das FISAT-Seminar in der Essener Zeche Zollverein stand unter dem Motto »Faktor Mensch«; in einem weiteren Schwerpunktthema ging es um »Kräfte, Lastannahmen und Kräfteverteilung«. Kompetente Referenten, die teils auch als Aussteller bei der Veranstaltung vertreten waren, haben in Vorträgen und Workshops verschiedenste Aspekte der Höhenarbeit beleuchtet, darunter technische und physikalische sowie »weiche« Themen wie Kommunikation und psychische Aspekte menschlichen Handelns.
Den Auftakt zur Vortragsreihe am Freitagnachmittag machte Daniel Gebel, Produktentwickler für Absturzsicherungen bei Edelrid. Für den Hersteller von Seilen, Gurten, Karabinern und Helmen hat Gebel die Falldämpfernorm EN 355 unter die Lupe genommen und getestet, was passiert, wenn die Falldämpfung nicht mit den genormten 100-kg-Stahl­gewicht, sondern mit Menschen leichteren Gewichts erfolgt. Das Ergebnis hat das Publikum überrascht: Mit der »Fallmasse« Mensch ergaben sich bei den Fangstoßwerten je nach Fallhöhe Abweichungen von teilweise mehr als 80 % – je geringer die Fallhöhe, desto größer die Abweichung. Ob diese bei einem Menschen mit 70 kg ermittelte Ab­weichung zum Stahlgewicht ­konstant ist oder mit steigendem ­Gewicht und entsprechend zunehmender Schwab­belmasse ebenfalls steigt, ist noch offen. Stelle man den Menschen in den Fokus, müsse bei Falldämpfersystemen die Beschleunigung und nicht die Kraft betrachtet werden, forderte Gebel.

»Ich bin seit 15 Jahren ­Industriekletterer und nehme zum fünften Mal am FISAT-Technikseminar teil. Der Verband schafft es, Mindeststandards zu definieren und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie auch eingehalten werden. Es gibt in Österreich nichts Vergleichbares.«
Sacha Poscher, Referent
beim Technikseminar und einziger FISAT-Ausbilder in Österreich

Gesundheitskompetenz ist entscheidend
Dass es bei Arbeiten mit SZP immer auch um eine sorgfältige Beurteilung möglicher Gefahren geht, zog sich nicht nur wie ein roter Faden durch die gesamte Veranstaltung, sondern war auch Thema diverser Vorträge: Dr. Bernd Kranz von der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt Halle informierte über die Bemessung von Schweißnähten nach EN 1993 und warf die Frage in den Raum, ob Höhenarbeiter sich stets darüber bewusst seien, was die Wahl einer Schweißnaht als Anschlagpunkt für Risiken bergen könnte. »Prüfen Sie vorher, woran Ihr Leben hängen wird!« Diese Forderung verband er mit dem Hinweis auf spezielle Korrosionsschutz-Lehrgänge, für die es mittlerweile zur korrekten Gefahrenbeurteilung einen eintägigen Zusatzkurs für Höhenarbeiter gibt.
Prof. Dr.-Ing. Marco Einhaus, Sachgebietsleiter Hochbau bei der DGUV, stellte in seinem Vortrag »Gesundheitsvorsorge – Auftrag der DGUV« dar, wie der »Faktor Mensch« nicht nur Unfälle vermeiden kann, sondern auch gesundheitliche Beeinträchtigungen und Berufskrankheiten. Anhand aktueller Zahlen machte er aber auch klar, dass Höhenarbeiter differenzierte Maßnahmen ergreifen müssen, um jeden Abend unversehrt nach Hause zu kommen_ Während im Jahr 2017 die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle am Bau um 37 % auf 59 gestiegen ist, war bei 30 Ereignissen Absturz Ursache für den tödlichen Arbeitsunfall – eine Zunahme um 50 % (2016 waren es 20 tödliche Abstürze). Im Gespräch mit der bauSICHERHEIT macht er jedoch deutlich_ »Es passieren aber nur ganz wenig Unfälle mit SZP. Wir hatten keine tödlichen Abstürze, seit die Verfahren beschrieben sind – und wir sehen_ es funktioniert!«
In seinem Vortrag ging Marco Einhaus auf messbare Größen im Vorfeld wie die Gesundheitskompetenz (GK): »Sie beschreibt die Fähigkeiten und Fertigkeiten, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und für gesundheitsrelevante Entscheidungen anzuwenden.« Eine schwierige Herausforderung angesichts der großen Zahl an Normen, Richtlinien und Verordnungen. Um sie zu meistern, spielt Bildung und Sprachverständnis eine große Rolle.
Repräsentative Studien (HLS-EU-Q16) haben laut Einhaus ergeben, dass immerhin mehr als die Hälfte der Erwachsenen (55,8 %) eine »ausreichende« Gesundheitskompetenz hat; »problematisch« ist sie demnach bei 31,9 %, »inadäquat« bei 12,3 %. Signifikante Unterschiede wurden bezüglich Bildung, nicht aber in Bezug auf Geschlecht oder Alter der Befragten gefunden. Weiteres Ergebnis_ Menschen mit einem niedrigen GK-Level sind körperlich und psychisch bei schlechterer Gesundheit.

»Die Veranstaltung ist eine Art Familientreffen der Seil­zugangs- und Höhenarbeitsbranche. Für uns als Her­steller ist das Technik­seminar als Networking-Event ein gutes Pflaster, um Produktneuheiten vorzustellen,
über Trends in der Branche und technische Themen zu ­diskutieren und so Anregungen für zukünftige Entwicklungen zu bekommen.«
Patrick Johrendt,
Leiter »PSA gegen Absturz«,
Teufelberger Seil Ges.m.b.H.


 Neue Qualifizierung für aufsichtführende Personen
Welche Kennt­nisse und Qualifikationen aufsichtführende Personen (SZP-Level 3) künftig haben sollen, um die Anwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren zu beaufsichtigen, war weiteres Vortragsthema. Mehrere Berufsgenossenschaften arbeiten derzeit an Seminar-Konzepten, die die relevanten Kenntnisse vermitteln sollen.
Dipl.-Ing (FH) Tanja Kopp, Aufsichtsperson bei der BG Bau und stellvertretende Leiterin des Sachgebiets »PSA gegen Absturz und Retten«, stellte vor, welche Inhalte die BG Bau in welchen Kursen und ab wann anbieten will. Mit diesem Thema befasst sich ein eigener Arbeitskreis der BG Bau, in dem neben Dipl.-Ing. Wolfgang Schäper, DGUV-Sachgebietsleiter »PSA gegen Absturz/Rettungsausrüstungen« und weiteren BG-Experten auch der FISAT mitarbeitet_ Mit am Tisch sitzt Roland Klampfl, selbst Höhenarbeiter und beim FISAT Referatsleiter Sicherheit und Ausbildung. An einem zweitägigen ­Pilotseminar haben im letzten Juli 19 Prüfer und Ausbilder des FISAT teilgenommen.

Vortragsthemen in diversen Workshops weiter vertieft
In weiteren technisch orientierten Vorträgen wie beispielsweise von Christoph Hummel, Sicherheitsforscher beim Deutschen ­Alpenverein (DAV), ging es um alpinistische Aspekte der SZP wie »Ausgleichsverankerung und Reihenschaltung«. Praktisch hat er dieses Thema in zwei Workshops vertieft. Theoretische Aspekte von Anschlagpunkten beleuchteten Thorsten Behr, Sachkundiger für die Prüfung künstlicher Kletteranlagen, für den Bereich Bergsport und künstliche Kletteranlagen, sowie Walter Siebert, ebenfalls Sachverständiger, für den Bereich Hochseilgärten.Referent Tom Nickel, Mit­gründer und Ge­schäfts­führer von »Rope­men« sowie Ausbilder SZP und Mitglied des FISAT-Zertifiziererteams, stellte seine Erfahrungen bei auftretenden Lasten im Tragsystem vor, und zwar im Worst-case-Szenario mit unsauberer Technik und ungünstigen Konstellationen.
Markus Füss, Inhaber des Ingenieurbüros »Hochsicher« und Spezialist unter anderem für Sonderkonstruktionen mit Einzelzulassung, referierte über die Unterschiede zwischen »Work Load ­Limit« (WLL) auf der einen und Mindestbruchlast (MBL) auf der anderen Seite und ging insbesondere auf die Abgrenzung zur DIN EN 795 ein sowie die Frage_ »Dürfen sich SZP-Anschlagpunkte verformen?« Gemeinsam mit Marco Günther-Cotte, Fachbereichsleiter Industrie bei der Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH, stellte er im Anschluss praktische Beispiele für die Berechnung verschiedener Lastfälle vor. Günther-Cotte ist Dipl.-Bauingenieur, Referent des FISAT und »Erfinder« des Technikseminars.
Weniger um Physik und Technik, sondern mehr um den »Faktor Mensch« ging es bei zahlreichen weiteren Vorträgen, beispielsweise die Erhöhung der ­Gesundheitskompetenz durch Analyse von Stärken und Schwächen sowie von Chancen und Risiken_ Sonja Einhaus (B.Sc) stellte die in der strategischen Unternehmensanalyse häufig angewandte SWOT-Analyse vor und wie sie sich bei der Gesundheitsförderung von Höhenarbeitern einsetzen lässt. Ihre Kollegin Nina Landwehr vertiefte dieses Thema in einem entsprechenden Workshop mit praktischen Elementen.Management von Kommunikation und Krisen
Josef Sözbir, Coach und Berater sowie Inhaber von »Trainer­narbe«, berichtete über »Erfahrungen aus dem Krisenmanagement« und die Frage, wie man in Situationen menschlichen Leids mit sich, der Umgebung und dem Umfeld umgeht. Den Fokus legte er dabei auf das innere und äußere Krisenmanagement – beide Bereiche vertiefte er am Nachmittag in den Workshops »Der sichere Ort« und »Der Blick auf die Krise«.
Wie Psychologie und Arbeitssicherheit ineinandergreifen, thematisierte Necla Fiege, Dipl.-Wirtschaftspsychologin und Fachkraft für Arbeitssicherheit in ihrem lebendigen Vortrag »Grundlagen menschlichen Handelns«. Sie machte deutlich, dass bei Menschen die meisten Handlungen und Verhaltensweisen unbewusst erfolgen.
Was Kommunikation in der SZP als Verbindungsmittel leistet, stellte der Österreicher Sacha Poscher in seinem Vortrag vor. Er ist Soziologe, Gerichts-Sachverständiger und geprüfter Erwachsenenbildner, Mitgeschäftsführer von »Verticalwork« und einziger FISAT-Ausbilder in Österreich. Seine umfangreiche Praxis führt ihn immer wieder zu einer Erkenntnis von Paul Watzlawick_ »Man kann nicht nicht kommunizieren.« Für eine erfolgreiche Kommunikation müssten Sender und Empfänger das gleiche Hintergrundwissen haben, um Signale, Nachrichten und Informationen in gleicher Weise zu Interpretieren und Missverständnissen vorzubeugen. »Bevor man an einem Seil hängt und anderen sein Leben anvertraut, muss das geklärt sein«, betont er im Gespräch mit der bauSICHERHEIT.

Zweierteams messen sich im sportlichen Wettbewerb
Der Nachmittag bot neben diversen Workshops, die thematisch meist das theoretisch Ge­hör­te in die Praxis brachten, wei­tere Themen für Prak­tiker und ­Anwender. So lud Sven Drangeid, FISAT-Geschäftsführer und Hauptorganisator der Veranstaltung, zu einer offenen Diskussion mit Brainstorming über die Frage »Fordert der Markt einen Rope Access Manager?« Ob es zwischen den operativ tätigen Teams und dem Baustellen-Koor­dinator künftig eine Schnittstelle braucht, wird wohl auf dem kommenden Technik­seminar am 5. und 6. Ok­to­ber in Dresden weiter diskutiert werden. Für diese nächste Veranstaltung konnten in diesem Workshop auch weitere Vorschläge und Ideen eingereicht und diskutiert werden.
Dass das Technikseminar von den Wurzeln her eine sportliche DNA hat, zeigte der zeitgleich stattfindende Wettbewerb, bei dem sich unter dem Motto »Knoten, Kräfte, Kommunikation und Kondition« Zweierteams in Sachen Technik und Teamwork beweisen mussten. Organisiert vom »Kölner Seil Kommando« und unterstützt von den Herstellern Edelrid und Teufelberger sowie FISAT-Zertifizierern wurde so die Veranstaltungshalle »Oktogon« zum anspruchsvollen Kletterparcours. Bei der Siegerehrung durften sich die erfolgreichen Teams über den Applaus kompetenter Kollegen ebenso freuen wie über Preise, die von den Ausstellungspartnern der FISAT-Veranstaltung zur Verfügung gestellt wurden.Hersteller und Anwender diskutieren Haltbarkeit
Rund um Vorträge, Workshops und Live-Vorführungen haben sich dem Fachpublikum zahlreiche Hersteller und Dienstleister präsentiert, darunter Ausrüster wie Petzl, ST-Quadrat/LUX-top oder Skylotec. Neben den genannten wie Edelrid und Teufelberger waren dies CT Climbing Technology, Courant, DMM, Singing Rock und der Versicherer AlpinProtect (mehr über die gezeigten Produkte auf den folgenden Seiten).
Lebendig geführt und kontrovers in den Standpunkten war die Podiumsdiskussion zum Thema »Alterung und Ablegereife von textilen Ausrüstungsgegenständen«. Unter der Moderation von Sascha Köhler ging es um die Frage, wie lang die Haltbarkeit textiler Aurüstungskomponenten anzusetzen ist und wie sie beurteilt werden soll. Walter Siebert (Siebert Consulting) vertrat den Standpunkt, dass Al­ters­angaben seitens der Hersteller überflüssig seien_ »Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Alter und Gefährdung«, sagte er. Sein Nebensitzer Peter Popall (Vizepräsident Petzl Distribution SAS) wies darauf hin, dass eine Norm keine Verpflichtung sei. »Wenn sie bindend wäre, gäbe es keine Neuprodukte auf dem Markt – schließlich dauert die Entwicklung einer Norm drei bis fünf Jahre«, wandte er ein. Diese Aussage habe allerdings im Streitfall vor Gericht keinerlei Bestand, entgegnete Siebert.
Knut Foppe (Ropemission) sagte, passend zum Thema, die schwierigsten Faktoren seien nicht durch eine Norm in den Griff zu bekommen_ »Die Ausrüstung ist immer einfacher zu kontrol­lieren als andere Faktoren wie Mensch oder Umwelt.« Dem konnte FISAT-Präsident Eric Kuhn, der als Geschäftsführer der Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH auf dem Podium saß, nur zustimmen_ »Speziell in diesem Kreis muss man sich auf die Kompetenz verlassen, dass Anwender die Verwendbarkeit der Ausrüstung korrekt beurteilen.«

Vertrauen und Vertrautheit bilden sicheres Netzwerk
Und dieser Kreis, das zeigte sich auch von Anfang bis Ende des 10. FISAT-Technikseminars, ist einer, der sich nicht nur durch großes Vertrauen seiner Mitglieder untereinander auszeichnet, sondern auch durch eine große Vertrautheit_ Die Akteure der Branche kennen sich, man trifft und unterstützt sich und es werden Netzwerke geknüpft – im wörtlichen Sinne und mit dem Ziel, dass keiner fällt.
Das 11. Technikseminar findet am 5. und 6. Oktober in Dresden auf dem Gelände der DGUV-Akademie statt. Geplant sind die Schwerpunktthemen »vertikale Fortbewegung« und »Wechselwirkungen im Arbeitssystem«.

 

Der Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT) vertritt seit 1995 die ­Interessen derer, die unter Verwendung seilgestützter Zugangs- und Positionierungsverfahren (SZP) an schwer zugängliche Orte gelangen und sich dort in diesem Seilsystem positionieren, um zu arbeiten oder Verunfallte zu retten. Der Verband setzt sich insbesondere für die körperliche, technische und rechtliche Sicherheit der Anwender der Seilzugangstechnik in Deutschland ein und ist in zahlreichen Gremien und Ausschüssen vertreten, um für die rechtliche Sicherheit zu sorgen. Der Verband mit Sitz in Berlin hat sich außerdem zur Aufgabe gemacht, die Akzeptanz von SZP sowie die körperliche und technische Sicherheit der Anwender stetig zu verbessern. Dazu hat der Verband ein dreistufiges Zertifizierungssystem entwickelt und zusätzlich ein Handbuch herausgegeben (Abbildung), in dem Empfehlungen zum korrekten Umgang mit der Seilzugangstechnik ausgesprochen werden. Des Weiteren veröffentlicht der Verband sowohl ­umfassende Informationen zu branchenrelevanten Entwicklungen als auch Sicherheitsmeldungen und Sicherheitshinweise zum ­Thema Unfallprävention und Geräterückruf. Nicht zuletzt veranstaltet der FISAT regelmäßig Fachveranstaltungen, bei denen die Teil­nehmer zum ­einen vom Wissen der Referenten aus unterschied­lichen Bereichen und zum anderen vom Networking profitieren.

Allgemein - Aktuelles zur Übersicht

Arbeiten in der Höhe mit Sicherheit auf höchstem Niveau

Was einst als sportlicher Wettbewerb unter Höhen­arbeitern begann, hat sich mittlerweile zum hochrangigen Event für alle Aspekte von seilgestützten Zugangs- und Positionierungs­verfahren (SZP) entwickelt_ Zum mittlerweile 10. Technik­seminar, veranstaltet vom Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT), sind im November mehr als 200 Teilnehmer nach Essen ins »Oktogon« der Zeche Zollverein gekommen, um sich bei Vorträgen, Workshops und Diskussionen sowie durch Live-Vorführungen und Produkt-Präsentationen auf den neuesten Stand zu bringen.

Lesedauer: min

Von Jan Rieken
So unterschiedlich die etwa 210 Teilnehmer auch sein mögen, eins haben sie gemeinsam_ Jeder würde bei Arbeiten am Seil in gefährlicher Höhe seinem Kollegen jederzeit blind vertrauen und damit sein Leben in die Hände eines anderen legen. Mit Recht_ Während laut Unfallstatistik der BG Bau 40 % aller tödlichen Unfälle im Baugewerbe Abstürze als Ursache haben (die bauSICHERHEIT berichtete in Heft 6/17, Seite 51), ist es bei ­zertifizierten Anwendern von SZP in den vergangenen Jahren deutschlandweit zu keinen tödlichen Unfällen gekommen.Einsatz für Rechts- und Arbeitssicherheit
Dass das so bleibt, ist das erklärte Ziel des FISAT und seiner Mitglieder, die sich sowohl aus Her­stellern und Praktikern aus dem Bereich Höhenarbeit zusammensetzen. Nach der Gründung im Jahr 1995 hat sich der Verband im Laufe seiner Geschichte für verschiedenste Belange eingesetzt, nachdem es lange Zeit auch große Rechtsunsicherheit beim Einsatz seilunterstützter Zugangstechniken gab. Nachdem noch im Jahr 1994 Baustellen, auf denen SZP zum Einsatz kam, geschlossen wurden, brachte das Folgejahr mit der Verhüllung des Berliner Reichstags den Durchbruch_ Mitglieder des neu gegründeten FISAT waren Teil einer Delegation, die zum Fachausschuss Bau entsendet wurde. Zuvor hatte der heutige Generalsekretär Frank Seltenheim, damals noch kein FISAT-Mitglied, eine Ausnahmegenehmigung erwirkt für den Einsatz von SZP bei der Reichstagsverhüllung.
Bei der Erarbeitung von Normen und Standards für Sicherheit, Ausbildung und Zertifizierung arbeitet der Verband von Anfang an eng mit der Berufsgenossenschaft BAU zusammen, um für gleichbleibend hohe Sicherheit zu sorgen und einen unfallfreien Einsatz von Mensch und Material zu gewährleisten (s. Infokasten).
Heute gibt es eine Fülle von Regeln, Initiativen und Vorschriften – unter anderem regelt auf europäischer Ebene die Richtlinie 2009/104/EG, welche Arbeitsmittel für das zeitweilige Arbeiten an hochgelegenen Arbeitsplätzen bereitgestellt werden müssen. Diese Vorgaben sind als Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) in deutsches Recht übernommen und gelten nicht nur für SZP, sondern schließen auch Komponenten der Persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) mit ein, also Gerüste und Leitern. Weitere Vorgaben zur Vermeidung von Abstürzen machen die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS), für seil­gestützte Arbeiten in der Höhe insbesondere die TRBS 2121. Seit 2016 gibt es außerdem eine Info-Broschüre der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV-Information 212-001), die sich mit »Arbeiten unter Verwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren« befasst.»Faktor Mensch« steht im Mittelpunkt
Das FISAT-Seminar in der Essener Zeche Zollverein stand unter dem Motto »Faktor Mensch«; in einem weiteren Schwerpunktthema ging es um »Kräfte, Lastannahmen und Kräfteverteilung«. Kompetente Referenten, die teils auch als Aussteller bei der Veranstaltung vertreten waren, haben in Vorträgen und Workshops verschiedenste Aspekte der Höhenarbeit beleuchtet, darunter technische und physikalische sowie »weiche« Themen wie Kommunikation und psychische Aspekte menschlichen Handelns.
Den Auftakt zur Vortragsreihe am Freitagnachmittag machte Daniel Gebel, Produktentwickler für Absturzsicherungen bei Edelrid. Für den Hersteller von Seilen, Gurten, Karabinern und Helmen hat Gebel die Falldämpfernorm EN 355 unter die Lupe genommen und getestet, was passiert, wenn die Falldämpfung nicht mit den genormten 100-kg-Stahl­gewicht, sondern mit Menschen leichteren Gewichts erfolgt. Das Ergebnis hat das Publikum überrascht: Mit der »Fallmasse« Mensch ergaben sich bei den Fangstoßwerten je nach Fallhöhe Abweichungen von teilweise mehr als 80 % – je geringer die Fallhöhe, desto größer die Abweichung. Ob diese bei einem Menschen mit 70 kg ermittelte Ab­weichung zum Stahlgewicht ­konstant ist oder mit steigendem ­Gewicht und entsprechend zunehmender Schwab­belmasse ebenfalls steigt, ist noch offen. Stelle man den Menschen in den Fokus, müsse bei Falldämpfersystemen die Beschleunigung und nicht die Kraft betrachtet werden, forderte Gebel.

»Ich bin seit 15 Jahren ­Industriekletterer und nehme zum fünften Mal am FISAT-Technikseminar teil. Der Verband schafft es, Mindeststandards zu definieren und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie auch eingehalten werden. Es gibt in Österreich nichts Vergleichbares.«
Sacha Poscher, Referent
beim Technikseminar und einziger FISAT-Ausbilder in Österreich

Gesundheitskompetenz ist entscheidend
Dass es bei Arbeiten mit SZP immer auch um eine sorgfältige Beurteilung möglicher Gefahren geht, zog sich nicht nur wie ein roter Faden durch die gesamte Veranstaltung, sondern war auch Thema diverser Vorträge: Dr. Bernd Kranz von der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt Halle informierte über die Bemessung von Schweißnähten nach EN 1993 und warf die Frage in den Raum, ob Höhenarbeiter sich stets darüber bewusst seien, was die Wahl einer Schweißnaht als Anschlagpunkt für Risiken bergen könnte. »Prüfen Sie vorher, woran Ihr Leben hängen wird!« Diese Forderung verband er mit dem Hinweis auf spezielle Korrosionsschutz-Lehrgänge, für die es mittlerweile zur korrekten Gefahrenbeurteilung einen eintägigen Zusatzkurs für Höhenarbeiter gibt.
Prof. Dr.-Ing. Marco Einhaus, Sachgebietsleiter Hochbau bei der DGUV, stellte in seinem Vortrag »Gesundheitsvorsorge – Auftrag der DGUV« dar, wie der »Faktor Mensch« nicht nur Unfälle vermeiden kann, sondern auch gesundheitliche Beeinträchtigungen und Berufskrankheiten. Anhand aktueller Zahlen machte er aber auch klar, dass Höhenarbeiter differenzierte Maßnahmen ergreifen müssen, um jeden Abend unversehrt nach Hause zu kommen_ Während im Jahr 2017 die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle am Bau um 37 % auf 59 gestiegen ist, war bei 30 Ereignissen Absturz Ursache für den tödlichen Arbeitsunfall – eine Zunahme um 50 % (2016 waren es 20 tödliche Abstürze). Im Gespräch mit der bauSICHERHEIT macht er jedoch deutlich_ »Es passieren aber nur ganz wenig Unfälle mit SZP. Wir hatten keine tödlichen Abstürze, seit die Verfahren beschrieben sind – und wir sehen_ es funktioniert!«
In seinem Vortrag ging Marco Einhaus auf messbare Größen im Vorfeld wie die Gesundheitskompetenz (GK): »Sie beschreibt die Fähigkeiten und Fertigkeiten, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und für gesundheitsrelevante Entscheidungen anzuwenden.« Eine schwierige Herausforderung angesichts der großen Zahl an Normen, Richtlinien und Verordnungen. Um sie zu meistern, spielt Bildung und Sprachverständnis eine große Rolle.
Repräsentative Studien (HLS-EU-Q16) haben laut Einhaus ergeben, dass immerhin mehr als die Hälfte der Erwachsenen (55,8 %) eine »ausreichende« Gesundheitskompetenz hat; »problematisch« ist sie demnach bei 31,9 %, »inadäquat« bei 12,3 %. Signifikante Unterschiede wurden bezüglich Bildung, nicht aber in Bezug auf Geschlecht oder Alter der Befragten gefunden. Weiteres Ergebnis_ Menschen mit einem niedrigen GK-Level sind körperlich und psychisch bei schlechterer Gesundheit.

»Die Veranstaltung ist eine Art Familientreffen der Seil­zugangs- und Höhenarbeitsbranche. Für uns als Her­steller ist das Technik­seminar als Networking-Event ein gutes Pflaster, um Produktneuheiten vorzustellen,
über Trends in der Branche und technische Themen zu ­diskutieren und so Anregungen für zukünftige Entwicklungen zu bekommen.«
Patrick Johrendt,
Leiter »PSA gegen Absturz«,
Teufelberger Seil Ges.m.b.H.


 Neue Qualifizierung für aufsichtführende Personen
Welche Kennt­nisse und Qualifikationen aufsichtführende Personen (SZP-Level 3) künftig haben sollen, um die Anwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren zu beaufsichtigen, war weiteres Vortragsthema. Mehrere Berufsgenossenschaften arbeiten derzeit an Seminar-Konzepten, die die relevanten Kenntnisse vermitteln sollen.
Dipl.-Ing (FH) Tanja Kopp, Aufsichtsperson bei der BG Bau und stellvertretende Leiterin des Sachgebiets »PSA gegen Absturz und Retten«, stellte vor, welche Inhalte die BG Bau in welchen Kursen und ab wann anbieten will. Mit diesem Thema befasst sich ein eigener Arbeitskreis der BG Bau, in dem neben Dipl.-Ing. Wolfgang Schäper, DGUV-Sachgebietsleiter »PSA gegen Absturz/Rettungsausrüstungen« und weiteren BG-Experten auch der FISAT mitarbeitet_ Mit am Tisch sitzt Roland Klampfl, selbst Höhenarbeiter und beim FISAT Referatsleiter Sicherheit und Ausbildung. An einem zweitägigen ­Pilotseminar haben im letzten Juli 19 Prüfer und Ausbilder des FISAT teilgenommen.

Vortragsthemen in diversen Workshops weiter vertieft
In weiteren technisch orientierten Vorträgen wie beispielsweise von Christoph Hummel, Sicherheitsforscher beim Deutschen ­Alpenverein (DAV), ging es um alpinistische Aspekte der SZP wie »Ausgleichsverankerung und Reihenschaltung«. Praktisch hat er dieses Thema in zwei Workshops vertieft. Theoretische Aspekte von Anschlagpunkten beleuchteten Thorsten Behr, Sachkundiger für die Prüfung künstlicher Kletteranlagen, für den Bereich Bergsport und künstliche Kletteranlagen, sowie Walter Siebert, ebenfalls Sachverständiger, für den Bereich Hochseilgärten.Referent Tom Nickel, Mit­gründer und Ge­schäfts­führer von »Rope­men« sowie Ausbilder SZP und Mitglied des FISAT-Zertifiziererteams, stellte seine Erfahrungen bei auftretenden Lasten im Tragsystem vor, und zwar im Worst-case-Szenario mit unsauberer Technik und ungünstigen Konstellationen.
Markus Füss, Inhaber des Ingenieurbüros »Hochsicher« und Spezialist unter anderem für Sonderkonstruktionen mit Einzelzulassung, referierte über die Unterschiede zwischen »Work Load ­Limit« (WLL) auf der einen und Mindestbruchlast (MBL) auf der anderen Seite und ging insbesondere auf die Abgrenzung zur DIN EN 795 ein sowie die Frage_ »Dürfen sich SZP-Anschlagpunkte verformen?« Gemeinsam mit Marco Günther-Cotte, Fachbereichsleiter Industrie bei der Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH, stellte er im Anschluss praktische Beispiele für die Berechnung verschiedener Lastfälle vor. Günther-Cotte ist Dipl.-Bauingenieur, Referent des FISAT und »Erfinder« des Technikseminars.
Weniger um Physik und Technik, sondern mehr um den »Faktor Mensch« ging es bei zahlreichen weiteren Vorträgen, beispielsweise die Erhöhung der ­Gesundheitskompetenz durch Analyse von Stärken und Schwächen sowie von Chancen und Risiken_ Sonja Einhaus (B.Sc) stellte die in der strategischen Unternehmensanalyse häufig angewandte SWOT-Analyse vor und wie sie sich bei der Gesundheitsförderung von Höhenarbeitern einsetzen lässt. Ihre Kollegin Nina Landwehr vertiefte dieses Thema in einem entsprechenden Workshop mit praktischen Elementen.Management von Kommunikation und Krisen
Josef Sözbir, Coach und Berater sowie Inhaber von »Trainer­narbe«, berichtete über »Erfahrungen aus dem Krisenmanagement« und die Frage, wie man in Situationen menschlichen Leids mit sich, der Umgebung und dem Umfeld umgeht. Den Fokus legte er dabei auf das innere und äußere Krisenmanagement – beide Bereiche vertiefte er am Nachmittag in den Workshops »Der sichere Ort« und »Der Blick auf die Krise«.
Wie Psychologie und Arbeitssicherheit ineinandergreifen, thematisierte Necla Fiege, Dipl.-Wirtschaftspsychologin und Fachkraft für Arbeitssicherheit in ihrem lebendigen Vortrag »Grundlagen menschlichen Handelns«. Sie machte deutlich, dass bei Menschen die meisten Handlungen und Verhaltensweisen unbewusst erfolgen.
Was Kommunikation in der SZP als Verbindungsmittel leistet, stellte der Österreicher Sacha Poscher in seinem Vortrag vor. Er ist Soziologe, Gerichts-Sachverständiger und geprüfter Erwachsenenbildner, Mitgeschäftsführer von »Verticalwork« und einziger FISAT-Ausbilder in Österreich. Seine umfangreiche Praxis führt ihn immer wieder zu einer Erkenntnis von Paul Watzlawick_ »Man kann nicht nicht kommunizieren.« Für eine erfolgreiche Kommunikation müssten Sender und Empfänger das gleiche Hintergrundwissen haben, um Signale, Nachrichten und Informationen in gleicher Weise zu Interpretieren und Missverständnissen vorzubeugen. »Bevor man an einem Seil hängt und anderen sein Leben anvertraut, muss das geklärt sein«, betont er im Gespräch mit der bauSICHERHEIT.

Zweierteams messen sich im sportlichen Wettbewerb
Der Nachmittag bot neben diversen Workshops, die thematisch meist das theoretisch Ge­hör­te in die Praxis brachten, wei­tere Themen für Prak­tiker und ­Anwender. So lud Sven Drangeid, FISAT-Geschäftsführer und Hauptorganisator der Veranstaltung, zu einer offenen Diskussion mit Brainstorming über die Frage »Fordert der Markt einen Rope Access Manager?« Ob es zwischen den operativ tätigen Teams und dem Baustellen-Koor­dinator künftig eine Schnittstelle braucht, wird wohl auf dem kommenden Technik­seminar am 5. und 6. Ok­to­ber in Dresden weiter diskutiert werden. Für diese nächste Veranstaltung konnten in diesem Workshop auch weitere Vorschläge und Ideen eingereicht und diskutiert werden.
Dass das Technikseminar von den Wurzeln her eine sportliche DNA hat, zeigte der zeitgleich stattfindende Wettbewerb, bei dem sich unter dem Motto »Knoten, Kräfte, Kommunikation und Kondition« Zweierteams in Sachen Technik und Teamwork beweisen mussten. Organisiert vom »Kölner Seil Kommando« und unterstützt von den Herstellern Edelrid und Teufelberger sowie FISAT-Zertifizierern wurde so die Veranstaltungshalle »Oktogon« zum anspruchsvollen Kletterparcours. Bei der Siegerehrung durften sich die erfolgreichen Teams über den Applaus kompetenter Kollegen ebenso freuen wie über Preise, die von den Ausstellungspartnern der FISAT-Veranstaltung zur Verfügung gestellt wurden.Hersteller und Anwender diskutieren Haltbarkeit
Rund um Vorträge, Workshops und Live-Vorführungen haben sich dem Fachpublikum zahlreiche Hersteller und Dienstleister präsentiert, darunter Ausrüster wie Petzl, ST-Quadrat/LUX-top oder Skylotec. Neben den genannten wie Edelrid und Teufelberger waren dies CT Climbing Technology, Courant, DMM, Singing Rock und der Versicherer AlpinProtect (mehr über die gezeigten Produkte auf den folgenden Seiten).
Lebendig geführt und kontrovers in den Standpunkten war die Podiumsdiskussion zum Thema »Alterung und Ablegereife von textilen Ausrüstungsgegenständen«. Unter der Moderation von Sascha Köhler ging es um die Frage, wie lang die Haltbarkeit textiler Aurüstungskomponenten anzusetzen ist und wie sie beurteilt werden soll. Walter Siebert (Siebert Consulting) vertrat den Standpunkt, dass Al­ters­angaben seitens der Hersteller überflüssig seien_ »Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Alter und Gefährdung«, sagte er. Sein Nebensitzer Peter Popall (Vizepräsident Petzl Distribution SAS) wies darauf hin, dass eine Norm keine Verpflichtung sei. »Wenn sie bindend wäre, gäbe es keine Neuprodukte auf dem Markt – schließlich dauert die Entwicklung einer Norm drei bis fünf Jahre«, wandte er ein. Diese Aussage habe allerdings im Streitfall vor Gericht keinerlei Bestand, entgegnete Siebert.
Knut Foppe (Ropemission) sagte, passend zum Thema, die schwierigsten Faktoren seien nicht durch eine Norm in den Griff zu bekommen_ »Die Ausrüstung ist immer einfacher zu kontrol­lieren als andere Faktoren wie Mensch oder Umwelt.« Dem konnte FISAT-Präsident Eric Kuhn, der als Geschäftsführer der Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH auf dem Podium saß, nur zustimmen_ »Speziell in diesem Kreis muss man sich auf die Kompetenz verlassen, dass Anwender die Verwendbarkeit der Ausrüstung korrekt beurteilen.«

Vertrauen und Vertrautheit bilden sicheres Netzwerk
Und dieser Kreis, das zeigte sich auch von Anfang bis Ende des 10. FISAT-Technikseminars, ist einer, der sich nicht nur durch großes Vertrauen seiner Mitglieder untereinander auszeichnet, sondern auch durch eine große Vertrautheit_ Die Akteure der Branche kennen sich, man trifft und unterstützt sich und es werden Netzwerke geknüpft – im wörtlichen Sinne und mit dem Ziel, dass keiner fällt.
Das 11. Technikseminar findet am 5. und 6. Oktober in Dresden auf dem Gelände der DGUV-Akademie statt. Geplant sind die Schwerpunktthemen »vertikale Fortbewegung« und »Wechselwirkungen im Arbeitssystem«.

 

Der Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT) vertritt seit 1995 die ­Interessen derer, die unter Verwendung seilgestützter Zugangs- und Positionierungsverfahren (SZP) an schwer zugängliche Orte gelangen und sich dort in diesem Seilsystem positionieren, um zu arbeiten oder Verunfallte zu retten. Der Verband setzt sich insbesondere für die körperliche, technische und rechtliche Sicherheit der Anwender der Seilzugangstechnik in Deutschland ein und ist in zahlreichen Gremien und Ausschüssen vertreten, um für die rechtliche Sicherheit zu sorgen. Der Verband mit Sitz in Berlin hat sich außerdem zur Aufgabe gemacht, die Akzeptanz von SZP sowie die körperliche und technische Sicherheit der Anwender stetig zu verbessern. Dazu hat der Verband ein dreistufiges Zertifizierungssystem entwickelt und zusätzlich ein Handbuch herausgegeben (Abbildung), in dem Empfehlungen zum korrekten Umgang mit der Seilzugangstechnik ausgesprochen werden. Des Weiteren veröffentlicht der Verband sowohl ­umfassende Informationen zu branchenrelevanten Entwicklungen als auch Sicherheitsmeldungen und Sicherheitshinweise zum ­Thema Unfallprävention und Geräterückruf. Nicht zuletzt veranstaltet der FISAT regelmäßig Fachveranstaltungen, bei denen die Teil­nehmer zum ­einen vom Wissen der Referenten aus unterschied­lichen Bereichen und zum anderen vom Networking profitieren.

Blickpunkt zur Übersicht

Arbeiten in der Höhe mit Sicherheit auf höchstem Niveau

Was einst als sportlicher Wettbewerb unter Höhen­arbeitern begann, hat sich mittlerweile zum hochrangigen Event für alle Aspekte von seilgestützten Zugangs- und Positionierungs­verfahren (SZP) entwickelt_ Zum mittlerweile 10. Technik­seminar, veranstaltet vom Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT), sind im November mehr als 200 Teilnehmer nach Essen ins »Oktogon« der Zeche Zollverein gekommen, um sich bei Vorträgen, Workshops und Diskussionen sowie durch Live-Vorführungen und Produkt-Präsentationen auf den neuesten Stand zu bringen.

Lesedauer: min

Von Jan Rieken
So unterschiedlich die etwa 210 Teilnehmer auch sein mögen, eins haben sie gemeinsam_ Jeder würde bei Arbeiten am Seil in gefährlicher Höhe seinem Kollegen jederzeit blind vertrauen und damit sein Leben in die Hände eines anderen legen. Mit Recht_ Während laut Unfallstatistik der BG Bau 40 % aller tödlichen Unfälle im Baugewerbe Abstürze als Ursache haben (die bauSICHERHEIT berichtete in Heft 6/17, Seite 51), ist es bei ­zertifizierten Anwendern von SZP in den vergangenen Jahren deutschlandweit zu keinen tödlichen Unfällen gekommen.Einsatz für Rechts- und Arbeitssicherheit
Dass das so bleibt, ist das erklärte Ziel des FISAT und seiner Mitglieder, die sich sowohl aus Her­stellern und Praktikern aus dem Bereich Höhenarbeit zusammensetzen. Nach der Gründung im Jahr 1995 hat sich der Verband im Laufe seiner Geschichte für verschiedenste Belange eingesetzt, nachdem es lange Zeit auch große Rechtsunsicherheit beim Einsatz seilunterstützter Zugangstechniken gab. Nachdem noch im Jahr 1994 Baustellen, auf denen SZP zum Einsatz kam, geschlossen wurden, brachte das Folgejahr mit der Verhüllung des Berliner Reichstags den Durchbruch_ Mitglieder des neu gegründeten FISAT waren Teil einer Delegation, die zum Fachausschuss Bau entsendet wurde. Zuvor hatte der heutige Generalsekretär Frank Seltenheim, damals noch kein FISAT-Mitglied, eine Ausnahmegenehmigung erwirkt für den Einsatz von SZP bei der Reichstagsverhüllung.
Bei der Erarbeitung von Normen und Standards für Sicherheit, Ausbildung und Zertifizierung arbeitet der Verband von Anfang an eng mit der Berufsgenossenschaft BAU zusammen, um für gleichbleibend hohe Sicherheit zu sorgen und einen unfallfreien Einsatz von Mensch und Material zu gewährleisten (s. Infokasten).
Heute gibt es eine Fülle von Regeln, Initiativen und Vorschriften – unter anderem regelt auf europäischer Ebene die Richtlinie 2009/104/EG, welche Arbeitsmittel für das zeitweilige Arbeiten an hochgelegenen Arbeitsplätzen bereitgestellt werden müssen. Diese Vorgaben sind als Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) in deutsches Recht übernommen und gelten nicht nur für SZP, sondern schließen auch Komponenten der Persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) mit ein, also Gerüste und Leitern. Weitere Vorgaben zur Vermeidung von Abstürzen machen die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS), für seil­gestützte Arbeiten in der Höhe insbesondere die TRBS 2121. Seit 2016 gibt es außerdem eine Info-Broschüre der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV-Information 212-001), die sich mit »Arbeiten unter Verwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren« befasst.»Faktor Mensch« steht im Mittelpunkt
Das FISAT-Seminar in der Essener Zeche Zollverein stand unter dem Motto »Faktor Mensch«; in einem weiteren Schwerpunktthema ging es um »Kräfte, Lastannahmen und Kräfteverteilung«. Kompetente Referenten, die teils auch als Aussteller bei der Veranstaltung vertreten waren, haben in Vorträgen und Workshops verschiedenste Aspekte der Höhenarbeit beleuchtet, darunter technische und physikalische sowie »weiche« Themen wie Kommunikation und psychische Aspekte menschlichen Handelns.
Den Auftakt zur Vortragsreihe am Freitagnachmittag machte Daniel Gebel, Produktentwickler für Absturzsicherungen bei Edelrid. Für den Hersteller von Seilen, Gurten, Karabinern und Helmen hat Gebel die Falldämpfernorm EN 355 unter die Lupe genommen und getestet, was passiert, wenn die Falldämpfung nicht mit den genormten 100-kg-Stahl­gewicht, sondern mit Menschen leichteren Gewichts erfolgt. Das Ergebnis hat das Publikum überrascht: Mit der »Fallmasse« Mensch ergaben sich bei den Fangstoßwerten je nach Fallhöhe Abweichungen von teilweise mehr als 80 % – je geringer die Fallhöhe, desto größer die Abweichung. Ob diese bei einem Menschen mit 70 kg ermittelte Ab­weichung zum Stahlgewicht ­konstant ist oder mit steigendem ­Gewicht und entsprechend zunehmender Schwab­belmasse ebenfalls steigt, ist noch offen. Stelle man den Menschen in den Fokus, müsse bei Falldämpfersystemen die Beschleunigung und nicht die Kraft betrachtet werden, forderte Gebel.

»Ich bin seit 15 Jahren ­Industriekletterer und nehme zum fünften Mal am FISAT-Technikseminar teil. Der Verband schafft es, Mindeststandards zu definieren und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie auch eingehalten werden. Es gibt in Österreich nichts Vergleichbares.«
Sacha Poscher, Referent
beim Technikseminar und einziger FISAT-Ausbilder in Österreich

Gesundheitskompetenz ist entscheidend
Dass es bei Arbeiten mit SZP immer auch um eine sorgfältige Beurteilung möglicher Gefahren geht, zog sich nicht nur wie ein roter Faden durch die gesamte Veranstaltung, sondern war auch Thema diverser Vorträge: Dr. Bernd Kranz von der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt Halle informierte über die Bemessung von Schweißnähten nach EN 1993 und warf die Frage in den Raum, ob Höhenarbeiter sich stets darüber bewusst seien, was die Wahl einer Schweißnaht als Anschlagpunkt für Risiken bergen könnte. »Prüfen Sie vorher, woran Ihr Leben hängen wird!« Diese Forderung verband er mit dem Hinweis auf spezielle Korrosionsschutz-Lehrgänge, für die es mittlerweile zur korrekten Gefahrenbeurteilung einen eintägigen Zusatzkurs für Höhenarbeiter gibt.
Prof. Dr.-Ing. Marco Einhaus, Sachgebietsleiter Hochbau bei der DGUV, stellte in seinem Vortrag »Gesundheitsvorsorge – Auftrag der DGUV« dar, wie der »Faktor Mensch« nicht nur Unfälle vermeiden kann, sondern auch gesundheitliche Beeinträchtigungen und Berufskrankheiten. Anhand aktueller Zahlen machte er aber auch klar, dass Höhenarbeiter differenzierte Maßnahmen ergreifen müssen, um jeden Abend unversehrt nach Hause zu kommen_ Während im Jahr 2017 die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle am Bau um 37 % auf 59 gestiegen ist, war bei 30 Ereignissen Absturz Ursache für den tödlichen Arbeitsunfall – eine Zunahme um 50 % (2016 waren es 20 tödliche Abstürze). Im Gespräch mit der bauSICHERHEIT macht er jedoch deutlich_ »Es passieren aber nur ganz wenig Unfälle mit SZP. Wir hatten keine tödlichen Abstürze, seit die Verfahren beschrieben sind – und wir sehen_ es funktioniert!«
In seinem Vortrag ging Marco Einhaus auf messbare Größen im Vorfeld wie die Gesundheitskompetenz (GK): »Sie beschreibt die Fähigkeiten und Fertigkeiten, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und für gesundheitsrelevante Entscheidungen anzuwenden.« Eine schwierige Herausforderung angesichts der großen Zahl an Normen, Richtlinien und Verordnungen. Um sie zu meistern, spielt Bildung und Sprachverständnis eine große Rolle.
Repräsentative Studien (HLS-EU-Q16) haben laut Einhaus ergeben, dass immerhin mehr als die Hälfte der Erwachsenen (55,8 %) eine »ausreichende« Gesundheitskompetenz hat; »problematisch« ist sie demnach bei 31,9 %, »inadäquat« bei 12,3 %. Signifikante Unterschiede wurden bezüglich Bildung, nicht aber in Bezug auf Geschlecht oder Alter der Befragten gefunden. Weiteres Ergebnis_ Menschen mit einem niedrigen GK-Level sind körperlich und psychisch bei schlechterer Gesundheit.

»Die Veranstaltung ist eine Art Familientreffen der Seil­zugangs- und Höhenarbeitsbranche. Für uns als Her­steller ist das Technik­seminar als Networking-Event ein gutes Pflaster, um Produktneuheiten vorzustellen,
über Trends in der Branche und technische Themen zu ­diskutieren und so Anregungen für zukünftige Entwicklungen zu bekommen.«
Patrick Johrendt,
Leiter »PSA gegen Absturz«,
Teufelberger Seil Ges.m.b.H.


 Neue Qualifizierung für aufsichtführende Personen
Welche Kennt­nisse und Qualifikationen aufsichtführende Personen (SZP-Level 3) künftig haben sollen, um die Anwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren zu beaufsichtigen, war weiteres Vortragsthema. Mehrere Berufsgenossenschaften arbeiten derzeit an Seminar-Konzepten, die die relevanten Kenntnisse vermitteln sollen.
Dipl.-Ing (FH) Tanja Kopp, Aufsichtsperson bei der BG Bau und stellvertretende Leiterin des Sachgebiets »PSA gegen Absturz und Retten«, stellte vor, welche Inhalte die BG Bau in welchen Kursen und ab wann anbieten will. Mit diesem Thema befasst sich ein eigener Arbeitskreis der BG Bau, in dem neben Dipl.-Ing. Wolfgang Schäper, DGUV-Sachgebietsleiter »PSA gegen Absturz/Rettungsausrüstungen« und weiteren BG-Experten auch der FISAT mitarbeitet_ Mit am Tisch sitzt Roland Klampfl, selbst Höhenarbeiter und beim FISAT Referatsleiter Sicherheit und Ausbildung. An einem zweitägigen ­Pilotseminar haben im letzten Juli 19 Prüfer und Ausbilder des FISAT teilgenommen.

Vortragsthemen in diversen Workshops weiter vertieft
In weiteren technisch orientierten Vorträgen wie beispielsweise von Christoph Hummel, Sicherheitsforscher beim Deutschen ­Alpenverein (DAV), ging es um alpinistische Aspekte der SZP wie »Ausgleichsverankerung und Reihenschaltung«. Praktisch hat er dieses Thema in zwei Workshops vertieft. Theoretische Aspekte von Anschlagpunkten beleuchteten Thorsten Behr, Sachkundiger für die Prüfung künstlicher Kletteranlagen, für den Bereich Bergsport und künstliche Kletteranlagen, sowie Walter Siebert, ebenfalls Sachverständiger, für den Bereich Hochseilgärten.Referent Tom Nickel, Mit­gründer und Ge­schäfts­führer von »Rope­men« sowie Ausbilder SZP und Mitglied des FISAT-Zertifiziererteams, stellte seine Erfahrungen bei auftretenden Lasten im Tragsystem vor, und zwar im Worst-case-Szenario mit unsauberer Technik und ungünstigen Konstellationen.
Markus Füss, Inhaber des Ingenieurbüros »Hochsicher« und Spezialist unter anderem für Sonderkonstruktionen mit Einzelzulassung, referierte über die Unterschiede zwischen »Work Load ­Limit« (WLL) auf der einen und Mindestbruchlast (MBL) auf der anderen Seite und ging insbesondere auf die Abgrenzung zur DIN EN 795 ein sowie die Frage_ »Dürfen sich SZP-Anschlagpunkte verformen?« Gemeinsam mit Marco Günther-Cotte, Fachbereichsleiter Industrie bei der Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH, stellte er im Anschluss praktische Beispiele für die Berechnung verschiedener Lastfälle vor. Günther-Cotte ist Dipl.-Bauingenieur, Referent des FISAT und »Erfinder« des Technikseminars.
Weniger um Physik und Technik, sondern mehr um den »Faktor Mensch« ging es bei zahlreichen weiteren Vorträgen, beispielsweise die Erhöhung der ­Gesundheitskompetenz durch Analyse von Stärken und Schwächen sowie von Chancen und Risiken_ Sonja Einhaus (B.Sc) stellte die in der strategischen Unternehmensanalyse häufig angewandte SWOT-Analyse vor und wie sie sich bei der Gesundheitsförderung von Höhenarbeitern einsetzen lässt. Ihre Kollegin Nina Landwehr vertiefte dieses Thema in einem entsprechenden Workshop mit praktischen Elementen.Management von Kommunikation und Krisen
Josef Sözbir, Coach und Berater sowie Inhaber von »Trainer­narbe«, berichtete über »Erfahrungen aus dem Krisenmanagement« und die Frage, wie man in Situationen menschlichen Leids mit sich, der Umgebung und dem Umfeld umgeht. Den Fokus legte er dabei auf das innere und äußere Krisenmanagement – beide Bereiche vertiefte er am Nachmittag in den Workshops »Der sichere Ort« und »Der Blick auf die Krise«.
Wie Psychologie und Arbeitssicherheit ineinandergreifen, thematisierte Necla Fiege, Dipl.-Wirtschaftspsychologin und Fachkraft für Arbeitssicherheit in ihrem lebendigen Vortrag »Grundlagen menschlichen Handelns«. Sie machte deutlich, dass bei Menschen die meisten Handlungen und Verhaltensweisen unbewusst erfolgen.
Was Kommunikation in der SZP als Verbindungsmittel leistet, stellte der Österreicher Sacha Poscher in seinem Vortrag vor. Er ist Soziologe, Gerichts-Sachverständiger und geprüfter Erwachsenenbildner, Mitgeschäftsführer von »Verticalwork« und einziger FISAT-Ausbilder in Österreich. Seine umfangreiche Praxis führt ihn immer wieder zu einer Erkenntnis von Paul Watzlawick_ »Man kann nicht nicht kommunizieren.« Für eine erfolgreiche Kommunikation müssten Sender und Empfänger das gleiche Hintergrundwissen haben, um Signale, Nachrichten und Informationen in gleicher Weise zu Interpretieren und Missverständnissen vorzubeugen. »Bevor man an einem Seil hängt und anderen sein Leben anvertraut, muss das geklärt sein«, betont er im Gespräch mit der bauSICHERHEIT.

Zweierteams messen sich im sportlichen Wettbewerb
Der Nachmittag bot neben diversen Workshops, die thematisch meist das theoretisch Ge­hör­te in die Praxis brachten, wei­tere Themen für Prak­tiker und ­Anwender. So lud Sven Drangeid, FISAT-Geschäftsführer und Hauptorganisator der Veranstaltung, zu einer offenen Diskussion mit Brainstorming über die Frage »Fordert der Markt einen Rope Access Manager?« Ob es zwischen den operativ tätigen Teams und dem Baustellen-Koor­dinator künftig eine Schnittstelle braucht, wird wohl auf dem kommenden Technik­seminar am 5. und 6. Ok­to­ber in Dresden weiter diskutiert werden. Für diese nächste Veranstaltung konnten in diesem Workshop auch weitere Vorschläge und Ideen eingereicht und diskutiert werden.
Dass das Technikseminar von den Wurzeln her eine sportliche DNA hat, zeigte der zeitgleich stattfindende Wettbewerb, bei dem sich unter dem Motto »Knoten, Kräfte, Kommunikation und Kondition« Zweierteams in Sachen Technik und Teamwork beweisen mussten. Organisiert vom »Kölner Seil Kommando« und unterstützt von den Herstellern Edelrid und Teufelberger sowie FISAT-Zertifizierern wurde so die Veranstaltungshalle »Oktogon« zum anspruchsvollen Kletterparcours. Bei der Siegerehrung durften sich die erfolgreichen Teams über den Applaus kompetenter Kollegen ebenso freuen wie über Preise, die von den Ausstellungspartnern der FISAT-Veranstaltung zur Verfügung gestellt wurden.Hersteller und Anwender diskutieren Haltbarkeit
Rund um Vorträge, Workshops und Live-Vorführungen haben sich dem Fachpublikum zahlreiche Hersteller und Dienstleister präsentiert, darunter Ausrüster wie Petzl, ST-Quadrat/LUX-top oder Skylotec. Neben den genannten wie Edelrid und Teufelberger waren dies CT Climbing Technology, Courant, DMM, Singing Rock und der Versicherer AlpinProtect (mehr über die gezeigten Produkte auf den folgenden Seiten).
Lebendig geführt und kontrovers in den Standpunkten war die Podiumsdiskussion zum Thema »Alterung und Ablegereife von textilen Ausrüstungsgegenständen«. Unter der Moderation von Sascha Köhler ging es um die Frage, wie lang die Haltbarkeit textiler Aurüstungskomponenten anzusetzen ist und wie sie beurteilt werden soll. Walter Siebert (Siebert Consulting) vertrat den Standpunkt, dass Al­ters­angaben seitens der Hersteller überflüssig seien_ »Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Alter und Gefährdung«, sagte er. Sein Nebensitzer Peter Popall (Vizepräsident Petzl Distribution SAS) wies darauf hin, dass eine Norm keine Verpflichtung sei. »Wenn sie bindend wäre, gäbe es keine Neuprodukte auf dem Markt – schließlich dauert die Entwicklung einer Norm drei bis fünf Jahre«, wandte er ein. Diese Aussage habe allerdings im Streitfall vor Gericht keinerlei Bestand, entgegnete Siebert.
Knut Foppe (Ropemission) sagte, passend zum Thema, die schwierigsten Faktoren seien nicht durch eine Norm in den Griff zu bekommen_ »Die Ausrüstung ist immer einfacher zu kontrol­lieren als andere Faktoren wie Mensch oder Umwelt.« Dem konnte FISAT-Präsident Eric Kuhn, der als Geschäftsführer der Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH auf dem Podium saß, nur zustimmen_ »Speziell in diesem Kreis muss man sich auf die Kompetenz verlassen, dass Anwender die Verwendbarkeit der Ausrüstung korrekt beurteilen.«

Vertrauen und Vertrautheit bilden sicheres Netzwerk
Und dieser Kreis, das zeigte sich auch von Anfang bis Ende des 10. FISAT-Technikseminars, ist einer, der sich nicht nur durch großes Vertrauen seiner Mitglieder untereinander auszeichnet, sondern auch durch eine große Vertrautheit_ Die Akteure der Branche kennen sich, man trifft und unterstützt sich und es werden Netzwerke geknüpft – im wörtlichen Sinne und mit dem Ziel, dass keiner fällt.
Das 11. Technikseminar findet am 5. und 6. Oktober in Dresden auf dem Gelände der DGUV-Akademie statt. Geplant sind die Schwerpunktthemen »vertikale Fortbewegung« und »Wechselwirkungen im Arbeitssystem«.

 

Der Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT) vertritt seit 1995 die ­Interessen derer, die unter Verwendung seilgestützter Zugangs- und Positionierungsverfahren (SZP) an schwer zugängliche Orte gelangen und sich dort in diesem Seilsystem positionieren, um zu arbeiten oder Verunfallte zu retten. Der Verband setzt sich insbesondere für die körperliche, technische und rechtliche Sicherheit der Anwender der Seilzugangstechnik in Deutschland ein und ist in zahlreichen Gremien und Ausschüssen vertreten, um für die rechtliche Sicherheit zu sorgen. Der Verband mit Sitz in Berlin hat sich außerdem zur Aufgabe gemacht, die Akzeptanz von SZP sowie die körperliche und technische Sicherheit der Anwender stetig zu verbessern. Dazu hat der Verband ein dreistufiges Zertifizierungssystem entwickelt und zusätzlich ein Handbuch herausgegeben (Abbildung), in dem Empfehlungen zum korrekten Umgang mit der Seilzugangstechnik ausgesprochen werden. Des Weiteren veröffentlicht der Verband sowohl ­umfassende Informationen zu branchenrelevanten Entwicklungen als auch Sicherheitsmeldungen und Sicherheitshinweise zum ­Thema Unfallprävention und Geräterückruf. Nicht zuletzt veranstaltet der FISAT regelmäßig Fachveranstaltungen, bei denen die Teil­nehmer zum ­einen vom Wissen der Referenten aus unterschied­lichen Bereichen und zum anderen vom Networking profitieren.

Titelstory

Arbeiten in der Höhe mit Sicherheit auf höchstem Niveau

Was einst als sportlicher Wettbewerb unter Höhen­arbeitern begann, hat sich mittlerweile zum hochrangigen Event für alle Aspekte von seilgestützten Zugangs- und Positionierungs­verfahren (SZP) entwickelt_ Zum mittlerweile 10. Technik­seminar, veranstaltet vom Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT), sind im November mehr als 200 Teilnehmer nach Essen ins »Oktogon« der Zeche Zollverein gekommen, um sich bei Vorträgen, Workshops und Diskussionen sowie durch Live-Vorführungen und Produkt-Präsentationen auf den neuesten Stand zu bringen.

Lesedauer: min

Von Jan Rieken
So unterschiedlich die etwa 210 Teilnehmer auch sein mögen, eins haben sie gemeinsam_ Jeder würde bei Arbeiten am Seil in gefährlicher Höhe seinem Kollegen jederzeit blind vertrauen und damit sein Leben in die Hände eines anderen legen. Mit Recht_ Während laut Unfallstatistik der BG Bau 40 % aller tödlichen Unfälle im Baugewerbe Abstürze als Ursache haben (die bauSICHERHEIT berichtete in Heft 6/17, Seite 51), ist es bei ­zertifizierten Anwendern von SZP in den vergangenen Jahren deutschlandweit zu keinen tödlichen Unfällen gekommen.Einsatz für Rechts- und Arbeitssicherheit
Dass das so bleibt, ist das erklärte Ziel des FISAT und seiner Mitglieder, die sich sowohl aus Her­stellern und Praktikern aus dem Bereich Höhenarbeit zusammensetzen. Nach der Gründung im Jahr 1995 hat sich der Verband im Laufe seiner Geschichte für verschiedenste Belange eingesetzt, nachdem es lange Zeit auch große Rechtsunsicherheit beim Einsatz seilunterstützter Zugangstechniken gab. Nachdem noch im Jahr 1994 Baustellen, auf denen SZP zum Einsatz kam, geschlossen wurden, brachte das Folgejahr mit der Verhüllung des Berliner Reichstags den Durchbruch_ Mitglieder des neu gegründeten FISAT waren Teil einer Delegation, die zum Fachausschuss Bau entsendet wurde. Zuvor hatte der heutige Generalsekretär Frank Seltenheim, damals noch kein FISAT-Mitglied, eine Ausnahmegenehmigung erwirkt für den Einsatz von SZP bei der Reichstagsverhüllung.
Bei der Erarbeitung von Normen und Standards für Sicherheit, Ausbildung und Zertifizierung arbeitet der Verband von Anfang an eng mit der Berufsgenossenschaft BAU zusammen, um für gleichbleibend hohe Sicherheit zu sorgen und einen unfallfreien Einsatz von Mensch und Material zu gewährleisten (s. Infokasten).
Heute gibt es eine Fülle von Regeln, Initiativen und Vorschriften – unter anderem regelt auf europäischer Ebene die Richtlinie 2009/104/EG, welche Arbeitsmittel für das zeitweilige Arbeiten an hochgelegenen Arbeitsplätzen bereitgestellt werden müssen. Diese Vorgaben sind als Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) in deutsches Recht übernommen und gelten nicht nur für SZP, sondern schließen auch Komponenten der Persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) mit ein, also Gerüste und Leitern. Weitere Vorgaben zur Vermeidung von Abstürzen machen die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS), für seil­gestützte Arbeiten in der Höhe insbesondere die TRBS 2121. Seit 2016 gibt es außerdem eine Info-Broschüre der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV-Information 212-001), die sich mit »Arbeiten unter Verwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren« befasst.»Faktor Mensch« steht im Mittelpunkt
Das FISAT-Seminar in der Essener Zeche Zollverein stand unter dem Motto »Faktor Mensch«; in einem weiteren Schwerpunktthema ging es um »Kräfte, Lastannahmen und Kräfteverteilung«. Kompetente Referenten, die teils auch als Aussteller bei der Veranstaltung vertreten waren, haben in Vorträgen und Workshops verschiedenste Aspekte der Höhenarbeit beleuchtet, darunter technische und physikalische sowie »weiche« Themen wie Kommunikation und psychische Aspekte menschlichen Handelns.
Den Auftakt zur Vortragsreihe am Freitagnachmittag machte Daniel Gebel, Produktentwickler für Absturzsicherungen bei Edelrid. Für den Hersteller von Seilen, Gurten, Karabinern und Helmen hat Gebel die Falldämpfernorm EN 355 unter die Lupe genommen und getestet, was passiert, wenn die Falldämpfung nicht mit den genormten 100-kg-Stahl­gewicht, sondern mit Menschen leichteren Gewichts erfolgt. Das Ergebnis hat das Publikum überrascht: Mit der »Fallmasse« Mensch ergaben sich bei den Fangstoßwerten je nach Fallhöhe Abweichungen von teilweise mehr als 80 % – je geringer die Fallhöhe, desto größer die Abweichung. Ob diese bei einem Menschen mit 70 kg ermittelte Ab­weichung zum Stahlgewicht ­konstant ist oder mit steigendem ­Gewicht und entsprechend zunehmender Schwab­belmasse ebenfalls steigt, ist noch offen. Stelle man den Menschen in den Fokus, müsse bei Falldämpfersystemen die Beschleunigung und nicht die Kraft betrachtet werden, forderte Gebel.

»Ich bin seit 15 Jahren ­Industriekletterer und nehme zum fünften Mal am FISAT-Technikseminar teil. Der Verband schafft es, Mindeststandards zu definieren und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie auch eingehalten werden. Es gibt in Österreich nichts Vergleichbares.«
Sacha Poscher, Referent
beim Technikseminar und einziger FISAT-Ausbilder in Österreich

Gesundheitskompetenz ist entscheidend
Dass es bei Arbeiten mit SZP immer auch um eine sorgfältige Beurteilung möglicher Gefahren geht, zog sich nicht nur wie ein roter Faden durch die gesamte Veranstaltung, sondern war auch Thema diverser Vorträge: Dr. Bernd Kranz von der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt Halle informierte über die Bemessung von Schweißnähten nach EN 1993 und warf die Frage in den Raum, ob Höhenarbeiter sich stets darüber bewusst seien, was die Wahl einer Schweißnaht als Anschlagpunkt für Risiken bergen könnte. »Prüfen Sie vorher, woran Ihr Leben hängen wird!« Diese Forderung verband er mit dem Hinweis auf spezielle Korrosionsschutz-Lehrgänge, für die es mittlerweile zur korrekten Gefahrenbeurteilung einen eintägigen Zusatzkurs für Höhenarbeiter gibt.
Prof. Dr.-Ing. Marco Einhaus, Sachgebietsleiter Hochbau bei der DGUV, stellte in seinem Vortrag »Gesundheitsvorsorge – Auftrag der DGUV« dar, wie der »Faktor Mensch« nicht nur Unfälle vermeiden kann, sondern auch gesundheitliche Beeinträchtigungen und Berufskrankheiten. Anhand aktueller Zahlen machte er aber auch klar, dass Höhenarbeiter differenzierte Maßnahmen ergreifen müssen, um jeden Abend unversehrt nach Hause zu kommen_ Während im Jahr 2017 die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle am Bau um 37 % auf 59 gestiegen ist, war bei 30 Ereignissen Absturz Ursache für den tödlichen Arbeitsunfall – eine Zunahme um 50 % (2016 waren es 20 tödliche Abstürze). Im Gespräch mit der bauSICHERHEIT macht er jedoch deutlich_ »Es passieren aber nur ganz wenig Unfälle mit SZP. Wir hatten keine tödlichen Abstürze, seit die Verfahren beschrieben sind – und wir sehen_ es funktioniert!«
In seinem Vortrag ging Marco Einhaus auf messbare Größen im Vorfeld wie die Gesundheitskompetenz (GK): »Sie beschreibt die Fähigkeiten und Fertigkeiten, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und für gesundheitsrelevante Entscheidungen anzuwenden.« Eine schwierige Herausforderung angesichts der großen Zahl an Normen, Richtlinien und Verordnungen. Um sie zu meistern, spielt Bildung und Sprachverständnis eine große Rolle.
Repräsentative Studien (HLS-EU-Q16) haben laut Einhaus ergeben, dass immerhin mehr als die Hälfte der Erwachsenen (55,8 %) eine »ausreichende« Gesundheitskompetenz hat; »problematisch« ist sie demnach bei 31,9 %, »inadäquat« bei 12,3 %. Signifikante Unterschiede wurden bezüglich Bildung, nicht aber in Bezug auf Geschlecht oder Alter der Befragten gefunden. Weiteres Ergebnis_ Menschen mit einem niedrigen GK-Level sind körperlich und psychisch bei schlechterer Gesundheit.

»Die Veranstaltung ist eine Art Familientreffen der Seil­zugangs- und Höhenarbeitsbranche. Für uns als Her­steller ist das Technik­seminar als Networking-Event ein gutes Pflaster, um Produktneuheiten vorzustellen,
über Trends in der Branche und technische Themen zu ­diskutieren und so Anregungen für zukünftige Entwicklungen zu bekommen.«
Patrick Johrendt,
Leiter »PSA gegen Absturz«,
Teufelberger Seil Ges.m.b.H.


 Neue Qualifizierung für aufsichtführende Personen
Welche Kennt­nisse und Qualifikationen aufsichtführende Personen (SZP-Level 3) künftig haben sollen, um die Anwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren zu beaufsichtigen, war weiteres Vortragsthema. Mehrere Berufsgenossenschaften arbeiten derzeit an Seminar-Konzepten, die die relevanten Kenntnisse vermitteln sollen.
Dipl.-Ing (FH) Tanja Kopp, Aufsichtsperson bei der BG Bau und stellvertretende Leiterin des Sachgebiets »PSA gegen Absturz und Retten«, stellte vor, welche Inhalte die BG Bau in welchen Kursen und ab wann anbieten will. Mit diesem Thema befasst sich ein eigener Arbeitskreis der BG Bau, in dem neben Dipl.-Ing. Wolfgang Schäper, DGUV-Sachgebietsleiter »PSA gegen Absturz/Rettungsausrüstungen« und weiteren BG-Experten auch der FISAT mitarbeitet_ Mit am Tisch sitzt Roland Klampfl, selbst Höhenarbeiter und beim FISAT Referatsleiter Sicherheit und Ausbildung. An einem zweitägigen ­Pilotseminar haben im letzten Juli 19 Prüfer und Ausbilder des FISAT teilgenommen.

Vortragsthemen in diversen Workshops weiter vertieft
In weiteren technisch orientierten Vorträgen wie beispielsweise von Christoph Hummel, Sicherheitsforscher beim Deutschen ­Alpenverein (DAV), ging es um alpinistische Aspekte der SZP wie »Ausgleichsverankerung und Reihenschaltung«. Praktisch hat er dieses Thema in zwei Workshops vertieft. Theoretische Aspekte von Anschlagpunkten beleuchteten Thorsten Behr, Sachkundiger für die Prüfung künstlicher Kletteranlagen, für den Bereich Bergsport und künstliche Kletteranlagen, sowie Walter Siebert, ebenfalls Sachverständiger, für den Bereich Hochseilgärten.Referent Tom Nickel, Mit­gründer und Ge­schäfts­führer von »Rope­men« sowie Ausbilder SZP und Mitglied des FISAT-Zertifiziererteams, stellte seine Erfahrungen bei auftretenden Lasten im Tragsystem vor, und zwar im Worst-case-Szenario mit unsauberer Technik und ungünstigen Konstellationen.
Markus Füss, Inhaber des Ingenieurbüros »Hochsicher« und Spezialist unter anderem für Sonderkonstruktionen mit Einzelzulassung, referierte über die Unterschiede zwischen »Work Load ­Limit« (WLL) auf der einen und Mindestbruchlast (MBL) auf der anderen Seite und ging insbesondere auf die Abgrenzung zur DIN EN 795 ein sowie die Frage_ »Dürfen sich SZP-Anschlagpunkte verformen?« Gemeinsam mit Marco Günther-Cotte, Fachbereichsleiter Industrie bei der Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH, stellte er im Anschluss praktische Beispiele für die Berechnung verschiedener Lastfälle vor. Günther-Cotte ist Dipl.-Bauingenieur, Referent des FISAT und »Erfinder« des Technikseminars.
Weniger um Physik und Technik, sondern mehr um den »Faktor Mensch« ging es bei zahlreichen weiteren Vorträgen, beispielsweise die Erhöhung der ­Gesundheitskompetenz durch Analyse von Stärken und Schwächen sowie von Chancen und Risiken_ Sonja Einhaus (B.Sc) stellte die in der strategischen Unternehmensanalyse häufig angewandte SWOT-Analyse vor und wie sie sich bei der Gesundheitsförderung von Höhenarbeitern einsetzen lässt. Ihre Kollegin Nina Landwehr vertiefte dieses Thema in einem entsprechenden Workshop mit praktischen Elementen.Management von Kommunikation und Krisen
Josef Sözbir, Coach und Berater sowie Inhaber von »Trainer­narbe«, berichtete über »Erfahrungen aus dem Krisenmanagement« und die Frage, wie man in Situationen menschlichen Leids mit sich, der Umgebung und dem Umfeld umgeht. Den Fokus legte er dabei auf das innere und äußere Krisenmanagement – beide Bereiche vertiefte er am Nachmittag in den Workshops »Der sichere Ort« und »Der Blick auf die Krise«.
Wie Psychologie und Arbeitssicherheit ineinandergreifen, thematisierte Necla Fiege, Dipl.-Wirtschaftspsychologin und Fachkraft für Arbeitssicherheit in ihrem lebendigen Vortrag »Grundlagen menschlichen Handelns«. Sie machte deutlich, dass bei Menschen die meisten Handlungen und Verhaltensweisen unbewusst erfolgen.
Was Kommunikation in der SZP als Verbindungsmittel leistet, stellte der Österreicher Sacha Poscher in seinem Vortrag vor. Er ist Soziologe, Gerichts-Sachverständiger und geprüfter Erwachsenenbildner, Mitgeschäftsführer von »Verticalwork« und einziger FISAT-Ausbilder in Österreich. Seine umfangreiche Praxis führt ihn immer wieder zu einer Erkenntnis von Paul Watzlawick_ »Man kann nicht nicht kommunizieren.« Für eine erfolgreiche Kommunikation müssten Sender und Empfänger das gleiche Hintergrundwissen haben, um Signale, Nachrichten und Informationen in gleicher Weise zu Interpretieren und Missverständnissen vorzubeugen. »Bevor man an einem Seil hängt und anderen sein Leben anvertraut, muss das geklärt sein«, betont er im Gespräch mit der bauSICHERHEIT.

Zweierteams messen sich im sportlichen Wettbewerb
Der Nachmittag bot neben diversen Workshops, die thematisch meist das theoretisch Ge­hör­te in die Praxis brachten, wei­tere Themen für Prak­tiker und ­Anwender. So lud Sven Drangeid, FISAT-Geschäftsführer und Hauptorganisator der Veranstaltung, zu einer offenen Diskussion mit Brainstorming über die Frage »Fordert der Markt einen Rope Access Manager?« Ob es zwischen den operativ tätigen Teams und dem Baustellen-Koor­dinator künftig eine Schnittstelle braucht, wird wohl auf dem kommenden Technik­seminar am 5. und 6. Ok­to­ber in Dresden weiter diskutiert werden. Für diese nächste Veranstaltung konnten in diesem Workshop auch weitere Vorschläge und Ideen eingereicht und diskutiert werden.
Dass das Technikseminar von den Wurzeln her eine sportliche DNA hat, zeigte der zeitgleich stattfindende Wettbewerb, bei dem sich unter dem Motto »Knoten, Kräfte, Kommunikation und Kondition« Zweierteams in Sachen Technik und Teamwork beweisen mussten. Organisiert vom »Kölner Seil Kommando« und unterstützt von den Herstellern Edelrid und Teufelberger sowie FISAT-Zertifizierern wurde so die Veranstaltungshalle »Oktogon« zum anspruchsvollen Kletterparcours. Bei der Siegerehrung durften sich die erfolgreichen Teams über den Applaus kompetenter Kollegen ebenso freuen wie über Preise, die von den Ausstellungspartnern der FISAT-Veranstaltung zur Verfügung gestellt wurden.Hersteller und Anwender diskutieren Haltbarkeit
Rund um Vorträge, Workshops und Live-Vorführungen haben sich dem Fachpublikum zahlreiche Hersteller und Dienstleister präsentiert, darunter Ausrüster wie Petzl, ST-Quadrat/LUX-top oder Skylotec. Neben den genannten wie Edelrid und Teufelberger waren dies CT Climbing Technology, Courant, DMM, Singing Rock und der Versicherer AlpinProtect (mehr über die gezeigten Produkte auf den folgenden Seiten).
Lebendig geführt und kontrovers in den Standpunkten war die Podiumsdiskussion zum Thema »Alterung und Ablegereife von textilen Ausrüstungsgegenständen«. Unter der Moderation von Sascha Köhler ging es um die Frage, wie lang die Haltbarkeit textiler Aurüstungskomponenten anzusetzen ist und wie sie beurteilt werden soll. Walter Siebert (Siebert Consulting) vertrat den Standpunkt, dass Al­ters­angaben seitens der Hersteller überflüssig seien_ »Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Alter und Gefährdung«, sagte er. Sein Nebensitzer Peter Popall (Vizepräsident Petzl Distribution SAS) wies darauf hin, dass eine Norm keine Verpflichtung sei. »Wenn sie bindend wäre, gäbe es keine Neuprodukte auf dem Markt – schließlich dauert die Entwicklung einer Norm drei bis fünf Jahre«, wandte er ein. Diese Aussage habe allerdings im Streitfall vor Gericht keinerlei Bestand, entgegnete Siebert.
Knut Foppe (Ropemission) sagte, passend zum Thema, die schwierigsten Faktoren seien nicht durch eine Norm in den Griff zu bekommen_ »Die Ausrüstung ist immer einfacher zu kontrol­lieren als andere Faktoren wie Mensch oder Umwelt.« Dem konnte FISAT-Präsident Eric Kuhn, der als Geschäftsführer der Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH auf dem Podium saß, nur zustimmen_ »Speziell in diesem Kreis muss man sich auf die Kompetenz verlassen, dass Anwender die Verwendbarkeit der Ausrüstung korrekt beurteilen.«

Vertrauen und Vertrautheit bilden sicheres Netzwerk
Und dieser Kreis, das zeigte sich auch von Anfang bis Ende des 10. FISAT-Technikseminars, ist einer, der sich nicht nur durch großes Vertrauen seiner Mitglieder untereinander auszeichnet, sondern auch durch eine große Vertrautheit_ Die Akteure der Branche kennen sich, man trifft und unterstützt sich und es werden Netzwerke geknüpft – im wörtlichen Sinne und mit dem Ziel, dass keiner fällt.
Das 11. Technikseminar findet am 5. und 6. Oktober in Dresden auf dem Gelände der DGUV-Akademie statt. Geplant sind die Schwerpunktthemen »vertikale Fortbewegung« und »Wechselwirkungen im Arbeitssystem«.

 

Der Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT) vertritt seit 1995 die ­Interessen derer, die unter Verwendung seilgestützter Zugangs- und Positionierungsverfahren (SZP) an schwer zugängliche Orte gelangen und sich dort in diesem Seilsystem positionieren, um zu arbeiten oder Verunfallte zu retten. Der Verband setzt sich insbesondere für die körperliche, technische und rechtliche Sicherheit der Anwender der Seilzugangstechnik in Deutschland ein und ist in zahlreichen Gremien und Ausschüssen vertreten, um für die rechtliche Sicherheit zu sorgen. Der Verband mit Sitz in Berlin hat sich außerdem zur Aufgabe gemacht, die Akzeptanz von SZP sowie die körperliche und technische Sicherheit der Anwender stetig zu verbessern. Dazu hat der Verband ein dreistufiges Zertifizierungssystem entwickelt und zusätzlich ein Handbuch herausgegeben (Abbildung), in dem Empfehlungen zum korrekten Umgang mit der Seilzugangstechnik ausgesprochen werden. Des Weiteren veröffentlicht der Verband sowohl ­umfassende Informationen zu branchenrelevanten Entwicklungen als auch Sicherheitsmeldungen und Sicherheitshinweise zum ­Thema Unfallprävention und Geräterückruf. Nicht zuletzt veranstaltet der FISAT regelmäßig Fachveranstaltungen, bei denen die Teil­nehmer zum ­einen vom Wissen der Referenten aus unterschied­lichen Bereichen und zum anderen vom Networking profitieren.

Persönlicher Schutz

Arbeiten in der Höhe mit Sicherheit auf höchstem Niveau

Was einst als sportlicher Wettbewerb unter Höhen­arbeitern begann, hat sich mittlerweile zum hochrangigen Event für alle Aspekte von seilgestützten Zugangs- und Positionierungs­verfahren (SZP) entwickelt_ Zum mittlerweile 10. Technik­seminar, veranstaltet vom Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT), sind im November mehr als 200 Teilnehmer nach Essen ins »Oktogon« der Zeche Zollverein gekommen, um sich bei Vorträgen, Workshops und Diskussionen sowie durch Live-Vorführungen und Produkt-Präsentationen auf den neuesten Stand zu bringen.

Lesedauer: min

Von Jan Rieken
So unterschiedlich die etwa 210 Teilnehmer auch sein mögen, eins haben sie gemeinsam_ Jeder würde bei Arbeiten am Seil in gefährlicher Höhe seinem Kollegen jederzeit blind vertrauen und damit sein Leben in die Hände eines anderen legen. Mit Recht_ Während laut Unfallstatistik der BG Bau 40 % aller tödlichen Unfälle im Baugewerbe Abstürze als Ursache haben (die bauSICHERHEIT berichtete in Heft 6/17, Seite 51), ist es bei ­zertifizierten Anwendern von SZP in den vergangenen Jahren deutschlandweit zu keinen tödlichen Unfällen gekommen.Einsatz für Rechts- und Arbeitssicherheit
Dass das so bleibt, ist das erklärte Ziel des FISAT und seiner Mitglieder, die sich sowohl aus Her­stellern und Praktikern aus dem Bereich Höhenarbeit zusammensetzen. Nach der Gründung im Jahr 1995 hat sich der Verband im Laufe seiner Geschichte für verschiedenste Belange eingesetzt, nachdem es lange Zeit auch große Rechtsunsicherheit beim Einsatz seilunterstützter Zugangstechniken gab. Nachdem noch im Jahr 1994 Baustellen, auf denen SZP zum Einsatz kam, geschlossen wurden, brachte das Folgejahr mit der Verhüllung des Berliner Reichstags den Durchbruch_ Mitglieder des neu gegründeten FISAT waren Teil einer Delegation, die zum Fachausschuss Bau entsendet wurde. Zuvor hatte der heutige Generalsekretär Frank Seltenheim, damals noch kein FISAT-Mitglied, eine Ausnahmegenehmigung erwirkt für den Einsatz von SZP bei der Reichstagsverhüllung.
Bei der Erarbeitung von Normen und Standards für Sicherheit, Ausbildung und Zertifizierung arbeitet der Verband von Anfang an eng mit der Berufsgenossenschaft BAU zusammen, um für gleichbleibend hohe Sicherheit zu sorgen und einen unfallfreien Einsatz von Mensch und Material zu gewährleisten (s. Infokasten).
Heute gibt es eine Fülle von Regeln, Initiativen und Vorschriften – unter anderem regelt auf europäischer Ebene die Richtlinie 2009/104/EG, welche Arbeitsmittel für das zeitweilige Arbeiten an hochgelegenen Arbeitsplätzen bereitgestellt werden müssen. Diese Vorgaben sind als Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) in deutsches Recht übernommen und gelten nicht nur für SZP, sondern schließen auch Komponenten der Persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) mit ein, also Gerüste und Leitern. Weitere Vorgaben zur Vermeidung von Abstürzen machen die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS), für seil­gestützte Arbeiten in der Höhe insbesondere die TRBS 2121. Seit 2016 gibt es außerdem eine Info-Broschüre der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV-Information 212-001), die sich mit »Arbeiten unter Verwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren« befasst.»Faktor Mensch« steht im Mittelpunkt
Das FISAT-Seminar in der Essener Zeche Zollverein stand unter dem Motto »Faktor Mensch«; in einem weiteren Schwerpunktthema ging es um »Kräfte, Lastannahmen und Kräfteverteilung«. Kompetente Referenten, die teils auch als Aussteller bei der Veranstaltung vertreten waren, haben in Vorträgen und Workshops verschiedenste Aspekte der Höhenarbeit beleuchtet, darunter technische und physikalische sowie »weiche« Themen wie Kommunikation und psychische Aspekte menschlichen Handelns.
Den Auftakt zur Vortragsreihe am Freitagnachmittag machte Daniel Gebel, Produktentwickler für Absturzsicherungen bei Edelrid. Für den Hersteller von Seilen, Gurten, Karabinern und Helmen hat Gebel die Falldämpfernorm EN 355 unter die Lupe genommen und getestet, was passiert, wenn die Falldämpfung nicht mit den genormten 100-kg-Stahl­gewicht, sondern mit Menschen leichteren Gewichts erfolgt. Das Ergebnis hat das Publikum überrascht: Mit der »Fallmasse« Mensch ergaben sich bei den Fangstoßwerten je nach Fallhöhe Abweichungen von teilweise mehr als 80 % – je geringer die Fallhöhe, desto größer die Abweichung. Ob diese bei einem Menschen mit 70 kg ermittelte Ab­weichung zum Stahlgewicht ­konstant ist oder mit steigendem ­Gewicht und entsprechend zunehmender Schwab­belmasse ebenfalls steigt, ist noch offen. Stelle man den Menschen in den Fokus, müsse bei Falldämpfersystemen die Beschleunigung und nicht die Kraft betrachtet werden, forderte Gebel.

»Ich bin seit 15 Jahren ­Industriekletterer und nehme zum fünften Mal am FISAT-Technikseminar teil. Der Verband schafft es, Mindeststandards zu definieren und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie auch eingehalten werden. Es gibt in Österreich nichts Vergleichbares.«
Sacha Poscher, Referent
beim Technikseminar und einziger FISAT-Ausbilder in Österreich

Gesundheitskompetenz ist entscheidend
Dass es bei Arbeiten mit SZP immer auch um eine sorgfältige Beurteilung möglicher Gefahren geht, zog sich nicht nur wie ein roter Faden durch die gesamte Veranstaltung, sondern war auch Thema diverser Vorträge: Dr. Bernd Kranz von der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt Halle informierte über die Bemessung von Schweißnähten nach EN 1993 und warf die Frage in den Raum, ob Höhenarbeiter sich stets darüber bewusst seien, was die Wahl einer Schweißnaht als Anschlagpunkt für Risiken bergen könnte. »Prüfen Sie vorher, woran Ihr Leben hängen wird!« Diese Forderung verband er mit dem Hinweis auf spezielle Korrosionsschutz-Lehrgänge, für die es mittlerweile zur korrekten Gefahrenbeurteilung einen eintägigen Zusatzkurs für Höhenarbeiter gibt.
Prof. Dr.-Ing. Marco Einhaus, Sachgebietsleiter Hochbau bei der DGUV, stellte in seinem Vortrag »Gesundheitsvorsorge – Auftrag der DGUV« dar, wie der »Faktor Mensch« nicht nur Unfälle vermeiden kann, sondern auch gesundheitliche Beeinträchtigungen und Berufskrankheiten. Anhand aktueller Zahlen machte er aber auch klar, dass Höhenarbeiter differenzierte Maßnahmen ergreifen müssen, um jeden Abend unversehrt nach Hause zu kommen_ Während im Jahr 2017 die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle am Bau um 37 % auf 59 gestiegen ist, war bei 30 Ereignissen Absturz Ursache für den tödlichen Arbeitsunfall – eine Zunahme um 50 % (2016 waren es 20 tödliche Abstürze). Im Gespräch mit der bauSICHERHEIT macht er jedoch deutlich_ »Es passieren aber nur ganz wenig Unfälle mit SZP. Wir hatten keine tödlichen Abstürze, seit die Verfahren beschrieben sind – und wir sehen_ es funktioniert!«
In seinem Vortrag ging Marco Einhaus auf messbare Größen im Vorfeld wie die Gesundheitskompetenz (GK): »Sie beschreibt die Fähigkeiten und Fertigkeiten, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und für gesundheitsrelevante Entscheidungen anzuwenden.« Eine schwierige Herausforderung angesichts der großen Zahl an Normen, Richtlinien und Verordnungen. Um sie zu meistern, spielt Bildung und Sprachverständnis eine große Rolle.
Repräsentative Studien (HLS-EU-Q16) haben laut Einhaus ergeben, dass immerhin mehr als die Hälfte der Erwachsenen (55,8 %) eine »ausreichende« Gesundheitskompetenz hat; »problematisch« ist sie demnach bei 31,9 %, »inadäquat« bei 12,3 %. Signifikante Unterschiede wurden bezüglich Bildung, nicht aber in Bezug auf Geschlecht oder Alter der Befragten gefunden. Weiteres Ergebnis_ Menschen mit einem niedrigen GK-Level sind körperlich und psychisch bei schlechterer Gesundheit.

»Die Veranstaltung ist eine Art Familientreffen der Seil­zugangs- und Höhenarbeitsbranche. Für uns als Her­steller ist das Technik­seminar als Networking-Event ein gutes Pflaster, um Produktneuheiten vorzustellen,
über Trends in der Branche und technische Themen zu ­diskutieren und so Anregungen für zukünftige Entwicklungen zu bekommen.«
Patrick Johrendt,
Leiter »PSA gegen Absturz«,
Teufelberger Seil Ges.m.b.H.


 Neue Qualifizierung für aufsichtführende Personen
Welche Kennt­nisse und Qualifikationen aufsichtführende Personen (SZP-Level 3) künftig haben sollen, um die Anwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren zu beaufsichtigen, war weiteres Vortragsthema. Mehrere Berufsgenossenschaften arbeiten derzeit an Seminar-Konzepten, die die relevanten Kenntnisse vermitteln sollen.
Dipl.-Ing (FH) Tanja Kopp, Aufsichtsperson bei der BG Bau und stellvertretende Leiterin des Sachgebiets »PSA gegen Absturz und Retten«, stellte vor, welche Inhalte die BG Bau in welchen Kursen und ab wann anbieten will. Mit diesem Thema befasst sich ein eigener Arbeitskreis der BG Bau, in dem neben Dipl.-Ing. Wolfgang Schäper, DGUV-Sachgebietsleiter »PSA gegen Absturz/Rettungsausrüstungen« und weiteren BG-Experten auch der FISAT mitarbeitet_ Mit am Tisch sitzt Roland Klampfl, selbst Höhenarbeiter und beim FISAT Referatsleiter Sicherheit und Ausbildung. An einem zweitägigen ­Pilotseminar haben im letzten Juli 19 Prüfer und Ausbilder des FISAT teilgenommen.

Vortragsthemen in diversen Workshops weiter vertieft
In weiteren technisch orientierten Vorträgen wie beispielsweise von Christoph Hummel, Sicherheitsforscher beim Deutschen ­Alpenverein (DAV), ging es um alpinistische Aspekte der SZP wie »Ausgleichsverankerung und Reihenschaltung«. Praktisch hat er dieses Thema in zwei Workshops vertieft. Theoretische Aspekte von Anschlagpunkten beleuchteten Thorsten Behr, Sachkundiger für die Prüfung künstlicher Kletteranlagen, für den Bereich Bergsport und künstliche Kletteranlagen, sowie Walter Siebert, ebenfalls Sachverständiger, für den Bereich Hochseilgärten.Referent Tom Nickel, Mit­gründer und Ge­schäfts­führer von »Rope­men« sowie Ausbilder SZP und Mitglied des FISAT-Zertifiziererteams, stellte seine Erfahrungen bei auftretenden Lasten im Tragsystem vor, und zwar im Worst-case-Szenario mit unsauberer Technik und ungünstigen Konstellationen.
Markus Füss, Inhaber des Ingenieurbüros »Hochsicher« und Spezialist unter anderem für Sonderkonstruktionen mit Einzelzulassung, referierte über die Unterschiede zwischen »Work Load ­Limit« (WLL) auf der einen und Mindestbruchlast (MBL) auf der anderen Seite und ging insbesondere auf die Abgrenzung zur DIN EN 795 ein sowie die Frage_ »Dürfen sich SZP-Anschlagpunkte verformen?« Gemeinsam mit Marco Günther-Cotte, Fachbereichsleiter Industrie bei der Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH, stellte er im Anschluss praktische Beispiele für die Berechnung verschiedener Lastfälle vor. Günther-Cotte ist Dipl.-Bauingenieur, Referent des FISAT und »Erfinder« des Technikseminars.
Weniger um Physik und Technik, sondern mehr um den »Faktor Mensch« ging es bei zahlreichen weiteren Vorträgen, beispielsweise die Erhöhung der ­Gesundheitskompetenz durch Analyse von Stärken und Schwächen sowie von Chancen und Risiken_ Sonja Einhaus (B.Sc) stellte die in der strategischen Unternehmensanalyse häufig angewandte SWOT-Analyse vor und wie sie sich bei der Gesundheitsförderung von Höhenarbeitern einsetzen lässt. Ihre Kollegin Nina Landwehr vertiefte dieses Thema in einem entsprechenden Workshop mit praktischen Elementen.Management von Kommunikation und Krisen
Josef Sözbir, Coach und Berater sowie Inhaber von »Trainer­narbe«, berichtete über »Erfahrungen aus dem Krisenmanagement« und die Frage, wie man in Situationen menschlichen Leids mit sich, der Umgebung und dem Umfeld umgeht. Den Fokus legte er dabei auf das innere und äußere Krisenmanagement – beide Bereiche vertiefte er am Nachmittag in den Workshops »Der sichere Ort« und »Der Blick auf die Krise«.
Wie Psychologie und Arbeitssicherheit ineinandergreifen, thematisierte Necla Fiege, Dipl.-Wirtschaftspsychologin und Fachkraft für Arbeitssicherheit in ihrem lebendigen Vortrag »Grundlagen menschlichen Handelns«. Sie machte deutlich, dass bei Menschen die meisten Handlungen und Verhaltensweisen unbewusst erfolgen.
Was Kommunikation in der SZP als Verbindungsmittel leistet, stellte der Österreicher Sacha Poscher in seinem Vortrag vor. Er ist Soziologe, Gerichts-Sachverständiger und geprüfter Erwachsenenbildner, Mitgeschäftsführer von »Verticalwork« und einziger FISAT-Ausbilder in Österreich. Seine umfangreiche Praxis führt ihn immer wieder zu einer Erkenntnis von Paul Watzlawick_ »Man kann nicht nicht kommunizieren.« Für eine erfolgreiche Kommunikation müssten Sender und Empfänger das gleiche Hintergrundwissen haben, um Signale, Nachrichten und Informationen in gleicher Weise zu Interpretieren und Missverständnissen vorzubeugen. »Bevor man an einem Seil hängt und anderen sein Leben anvertraut, muss das geklärt sein«, betont er im Gespräch mit der bauSICHERHEIT.

Zweierteams messen sich im sportlichen Wettbewerb
Der Nachmittag bot neben diversen Workshops, die thematisch meist das theoretisch Ge­hör­te in die Praxis brachten, wei­tere Themen für Prak­tiker und ­Anwender. So lud Sven Drangeid, FISAT-Geschäftsführer und Hauptorganisator der Veranstaltung, zu einer offenen Diskussion mit Brainstorming über die Frage »Fordert der Markt einen Rope Access Manager?« Ob es zwischen den operativ tätigen Teams und dem Baustellen-Koor­dinator künftig eine Schnittstelle braucht, wird wohl auf dem kommenden Technik­seminar am 5. und 6. Ok­to­ber in Dresden weiter diskutiert werden. Für diese nächste Veranstaltung konnten in diesem Workshop auch weitere Vorschläge und Ideen eingereicht und diskutiert werden.
Dass das Technikseminar von den Wurzeln her eine sportliche DNA hat, zeigte der zeitgleich stattfindende Wettbewerb, bei dem sich unter dem Motto »Knoten, Kräfte, Kommunikation und Kondition« Zweierteams in Sachen Technik und Teamwork beweisen mussten. Organisiert vom »Kölner Seil Kommando« und unterstützt von den Herstellern Edelrid und Teufelberger sowie FISAT-Zertifizierern wurde so die Veranstaltungshalle »Oktogon« zum anspruchsvollen Kletterparcours. Bei der Siegerehrung durften sich die erfolgreichen Teams über den Applaus kompetenter Kollegen ebenso freuen wie über Preise, die von den Ausstellungspartnern der FISAT-Veranstaltung zur Verfügung gestellt wurden.Hersteller und Anwender diskutieren Haltbarkeit
Rund um Vorträge, Workshops und Live-Vorführungen haben sich dem Fachpublikum zahlreiche Hersteller und Dienstleister präsentiert, darunter Ausrüster wie Petzl, ST-Quadrat/LUX-top oder Skylotec. Neben den genannten wie Edelrid und Teufelberger waren dies CT Climbing Technology, Courant, DMM, Singing Rock und der Versicherer AlpinProtect (mehr über die gezeigten Produkte auf den folgenden Seiten).
Lebendig geführt und kontrovers in den Standpunkten war die Podiumsdiskussion zum Thema »Alterung und Ablegereife von textilen Ausrüstungsgegenständen«. Unter der Moderation von Sascha Köhler ging es um die Frage, wie lang die Haltbarkeit textiler Aurüstungskomponenten anzusetzen ist und wie sie beurteilt werden soll. Walter Siebert (Siebert Consulting) vertrat den Standpunkt, dass Al­ters­angaben seitens der Hersteller überflüssig seien_ »Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Alter und Gefährdung«, sagte er. Sein Nebensitzer Peter Popall (Vizepräsident Petzl Distribution SAS) wies darauf hin, dass eine Norm keine Verpflichtung sei. »Wenn sie bindend wäre, gäbe es keine Neuprodukte auf dem Markt – schließlich dauert die Entwicklung einer Norm drei bis fünf Jahre«, wandte er ein. Diese Aussage habe allerdings im Streitfall vor Gericht keinerlei Bestand, entgegnete Siebert.
Knut Foppe (Ropemission) sagte, passend zum Thema, die schwierigsten Faktoren seien nicht durch eine Norm in den Griff zu bekommen_ »Die Ausrüstung ist immer einfacher zu kontrol­lieren als andere Faktoren wie Mensch oder Umwelt.« Dem konnte FISAT-Präsident Eric Kuhn, der als Geschäftsführer der Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH auf dem Podium saß, nur zustimmen_ »Speziell in diesem Kreis muss man sich auf die Kompetenz verlassen, dass Anwender die Verwendbarkeit der Ausrüstung korrekt beurteilen.«

Vertrauen und Vertrautheit bilden sicheres Netzwerk
Und dieser Kreis, das zeigte sich auch von Anfang bis Ende des 10. FISAT-Technikseminars, ist einer, der sich nicht nur durch großes Vertrauen seiner Mitglieder untereinander auszeichnet, sondern auch durch eine große Vertrautheit_ Die Akteure der Branche kennen sich, man trifft und unterstützt sich und es werden Netzwerke geknüpft – im wörtlichen Sinne und mit dem Ziel, dass keiner fällt.
Das 11. Technikseminar findet am 5. und 6. Oktober in Dresden auf dem Gelände der DGUV-Akademie statt. Geplant sind die Schwerpunktthemen »vertikale Fortbewegung« und »Wechselwirkungen im Arbeitssystem«.

 

Der Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT) vertritt seit 1995 die ­Interessen derer, die unter Verwendung seilgestützter Zugangs- und Positionierungsverfahren (SZP) an schwer zugängliche Orte gelangen und sich dort in diesem Seilsystem positionieren, um zu arbeiten oder Verunfallte zu retten. Der Verband setzt sich insbesondere für die körperliche, technische und rechtliche Sicherheit der Anwender der Seilzugangstechnik in Deutschland ein und ist in zahlreichen Gremien und Ausschüssen vertreten, um für die rechtliche Sicherheit zu sorgen. Der Verband mit Sitz in Berlin hat sich außerdem zur Aufgabe gemacht, die Akzeptanz von SZP sowie die körperliche und technische Sicherheit der Anwender stetig zu verbessern. Dazu hat der Verband ein dreistufiges Zertifizierungssystem entwickelt und zusätzlich ein Handbuch herausgegeben (Abbildung), in dem Empfehlungen zum korrekten Umgang mit der Seilzugangstechnik ausgesprochen werden. Des Weiteren veröffentlicht der Verband sowohl ­umfassende Informationen zu branchenrelevanten Entwicklungen als auch Sicherheitsmeldungen und Sicherheitshinweise zum ­Thema Unfallprävention und Geräterückruf. Nicht zuletzt veranstaltet der FISAT regelmäßig Fachveranstaltungen, bei denen die Teil­nehmer zum ­einen vom Wissen der Referenten aus unterschied­lichen Bereichen und zum anderen vom Networking profitieren.

Baustellen-Sicherheit

Arbeiten in der Höhe mit Sicherheit auf höchstem Niveau

Was einst als sportlicher Wettbewerb unter Höhen­arbeitern begann, hat sich mittlerweile zum hochrangigen Event für alle Aspekte von seilgestützten Zugangs- und Positionierungs­verfahren (SZP) entwickelt_ Zum mittlerweile 10. Technik­seminar, veranstaltet vom Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT), sind im November mehr als 200 Teilnehmer nach Essen ins »Oktogon« der Zeche Zollverein gekommen, um sich bei Vorträgen, Workshops und Diskussionen sowie durch Live-Vorführungen und Produkt-Präsentationen auf den neuesten Stand zu bringen.

Lesedauer: min

Von Jan Rieken
So unterschiedlich die etwa 210 Teilnehmer auch sein mögen, eins haben sie gemeinsam_ Jeder würde bei Arbeiten am Seil in gefährlicher Höhe seinem Kollegen jederzeit blind vertrauen und damit sein Leben in die Hände eines anderen legen. Mit Recht_ Während laut Unfallstatistik der BG Bau 40 % aller tödlichen Unfälle im Baugewerbe Abstürze als Ursache haben (die bauSICHERHEIT berichtete in Heft 6/17, Seite 51), ist es bei ­zertifizierten Anwendern von SZP in den vergangenen Jahren deutschlandweit zu keinen tödlichen Unfällen gekommen.Einsatz für Rechts- und Arbeitssicherheit
Dass das so bleibt, ist das erklärte Ziel des FISAT und seiner Mitglieder, die sich sowohl aus Her­stellern und Praktikern aus dem Bereich Höhenarbeit zusammensetzen. Nach der Gründung im Jahr 1995 hat sich der Verband im Laufe seiner Geschichte für verschiedenste Belange eingesetzt, nachdem es lange Zeit auch große Rechtsunsicherheit beim Einsatz seilunterstützter Zugangstechniken gab. Nachdem noch im Jahr 1994 Baustellen, auf denen SZP zum Einsatz kam, geschlossen wurden, brachte das Folgejahr mit der Verhüllung des Berliner Reichstags den Durchbruch_ Mitglieder des neu gegründeten FISAT waren Teil einer Delegation, die zum Fachausschuss Bau entsendet wurde. Zuvor hatte der heutige Generalsekretär Frank Seltenheim, damals noch kein FISAT-Mitglied, eine Ausnahmegenehmigung erwirkt für den Einsatz von SZP bei der Reichstagsverhüllung.
Bei der Erarbeitung von Normen und Standards für Sicherheit, Ausbildung und Zertifizierung arbeitet der Verband von Anfang an eng mit der Berufsgenossenschaft BAU zusammen, um für gleichbleibend hohe Sicherheit zu sorgen und einen unfallfreien Einsatz von Mensch und Material zu gewährleisten (s. Infokasten).
Heute gibt es eine Fülle von Regeln, Initiativen und Vorschriften – unter anderem regelt auf europäischer Ebene die Richtlinie 2009/104/EG, welche Arbeitsmittel für das zeitweilige Arbeiten an hochgelegenen Arbeitsplätzen bereitgestellt werden müssen. Diese Vorgaben sind als Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) in deutsches Recht übernommen und gelten nicht nur für SZP, sondern schließen auch Komponenten der Persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) mit ein, also Gerüste und Leitern. Weitere Vorgaben zur Vermeidung von Abstürzen machen die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS), für seil­gestützte Arbeiten in der Höhe insbesondere die TRBS 2121. Seit 2016 gibt es außerdem eine Info-Broschüre der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV-Information 212-001), die sich mit »Arbeiten unter Verwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren« befasst.»Faktor Mensch« steht im Mittelpunkt
Das FISAT-Seminar in der Essener Zeche Zollverein stand unter dem Motto »Faktor Mensch«; in einem weiteren Schwerpunktthema ging es um »Kräfte, Lastannahmen und Kräfteverteilung«. Kompetente Referenten, die teils auch als Aussteller bei der Veranstaltung vertreten waren, haben in Vorträgen und Workshops verschiedenste Aspekte der Höhenarbeit beleuchtet, darunter technische und physikalische sowie »weiche« Themen wie Kommunikation und psychische Aspekte menschlichen Handelns.
Den Auftakt zur Vortragsreihe am Freitagnachmittag machte Daniel Gebel, Produktentwickler für Absturzsicherungen bei Edelrid. Für den Hersteller von Seilen, Gurten, Karabinern und Helmen hat Gebel die Falldämpfernorm EN 355 unter die Lupe genommen und getestet, was passiert, wenn die Falldämpfung nicht mit den genormten 100-kg-Stahl­gewicht, sondern mit Menschen leichteren Gewichts erfolgt. Das Ergebnis hat das Publikum überrascht: Mit der »Fallmasse« Mensch ergaben sich bei den Fangstoßwerten je nach Fallhöhe Abweichungen von teilweise mehr als 80 % – je geringer die Fallhöhe, desto größer die Abweichung. Ob diese bei einem Menschen mit 70 kg ermittelte Ab­weichung zum Stahlgewicht ­konstant ist oder mit steigendem ­Gewicht und entsprechend zunehmender Schwab­belmasse ebenfalls steigt, ist noch offen. Stelle man den Menschen in den Fokus, müsse bei Falldämpfersystemen die Beschleunigung und nicht die Kraft betrachtet werden, forderte Gebel.

»Ich bin seit 15 Jahren ­Industriekletterer und nehme zum fünften Mal am FISAT-Technikseminar teil. Der Verband schafft es, Mindeststandards zu definieren und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie auch eingehalten werden. Es gibt in Österreich nichts Vergleichbares.«
Sacha Poscher, Referent
beim Technikseminar und einziger FISAT-Ausbilder in Österreich

Gesundheitskompetenz ist entscheidend
Dass es bei Arbeiten mit SZP immer auch um eine sorgfältige Beurteilung möglicher Gefahren geht, zog sich nicht nur wie ein roter Faden durch die gesamte Veranstaltung, sondern war auch Thema diverser Vorträge: Dr. Bernd Kranz von der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt Halle informierte über die Bemessung von Schweißnähten nach EN 1993 und warf die Frage in den Raum, ob Höhenarbeiter sich stets darüber bewusst seien, was die Wahl einer Schweißnaht als Anschlagpunkt für Risiken bergen könnte. »Prüfen Sie vorher, woran Ihr Leben hängen wird!« Diese Forderung verband er mit dem Hinweis auf spezielle Korrosionsschutz-Lehrgänge, für die es mittlerweile zur korrekten Gefahrenbeurteilung einen eintägigen Zusatzkurs für Höhenarbeiter gibt.
Prof. Dr.-Ing. Marco Einhaus, Sachgebietsleiter Hochbau bei der DGUV, stellte in seinem Vortrag »Gesundheitsvorsorge – Auftrag der DGUV« dar, wie der »Faktor Mensch« nicht nur Unfälle vermeiden kann, sondern auch gesundheitliche Beeinträchtigungen und Berufskrankheiten. Anhand aktueller Zahlen machte er aber auch klar, dass Höhenarbeiter differenzierte Maßnahmen ergreifen müssen, um jeden Abend unversehrt nach Hause zu kommen_ Während im Jahr 2017 die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle am Bau um 37 % auf 59 gestiegen ist, war bei 30 Ereignissen Absturz Ursache für den tödlichen Arbeitsunfall – eine Zunahme um 50 % (2016 waren es 20 tödliche Abstürze). Im Gespräch mit der bauSICHERHEIT macht er jedoch deutlich_ »Es passieren aber nur ganz wenig Unfälle mit SZP. Wir hatten keine tödlichen Abstürze, seit die Verfahren beschrieben sind – und wir sehen_ es funktioniert!«
In seinem Vortrag ging Marco Einhaus auf messbare Größen im Vorfeld wie die Gesundheitskompetenz (GK): »Sie beschreibt die Fähigkeiten und Fertigkeiten, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und für gesundheitsrelevante Entscheidungen anzuwenden.« Eine schwierige Herausforderung angesichts der großen Zahl an Normen, Richtlinien und Verordnungen. Um sie zu meistern, spielt Bildung und Sprachverständnis eine große Rolle.
Repräsentative Studien (HLS-EU-Q16) haben laut Einhaus ergeben, dass immerhin mehr als die Hälfte der Erwachsenen (55,8 %) eine »ausreichende« Gesundheitskompetenz hat; »problematisch« ist sie demnach bei 31,9 %, »inadäquat« bei 12,3 %. Signifikante Unterschiede wurden bezüglich Bildung, nicht aber in Bezug auf Geschlecht oder Alter der Befragten gefunden. Weiteres Ergebnis_ Menschen mit einem niedrigen GK-Level sind körperlich und psychisch bei schlechterer Gesundheit.

»Die Veranstaltung ist eine Art Familientreffen der Seil­zugangs- und Höhenarbeitsbranche. Für uns als Her­steller ist das Technik­seminar als Networking-Event ein gutes Pflaster, um Produktneuheiten vorzustellen,
über Trends in der Branche und technische Themen zu ­diskutieren und so Anregungen für zukünftige Entwicklungen zu bekommen.«
Patrick Johrendt,
Leiter »PSA gegen Absturz«,
Teufelberger Seil Ges.m.b.H.


 Neue Qualifizierung für aufsichtführende Personen
Welche Kennt­nisse und Qualifikationen aufsichtführende Personen (SZP-Level 3) künftig haben sollen, um die Anwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren zu beaufsichtigen, war weiteres Vortragsthema. Mehrere Berufsgenossenschaften arbeiten derzeit an Seminar-Konzepten, die die relevanten Kenntnisse vermitteln sollen.
Dipl.-Ing (FH) Tanja Kopp, Aufsichtsperson bei der BG Bau und stellvertretende Leiterin des Sachgebiets »PSA gegen Absturz und Retten«, stellte vor, welche Inhalte die BG Bau in welchen Kursen und ab wann anbieten will. Mit diesem Thema befasst sich ein eigener Arbeitskreis der BG Bau, in dem neben Dipl.-Ing. Wolfgang Schäper, DGUV-Sachgebietsleiter »PSA gegen Absturz/Rettungsausrüstungen« und weiteren BG-Experten auch der FISAT mitarbeitet_ Mit am Tisch sitzt Roland Klampfl, selbst Höhenarbeiter und beim FISAT Referatsleiter Sicherheit und Ausbildung. An einem zweitägigen ­Pilotseminar haben im letzten Juli 19 Prüfer und Ausbilder des FISAT teilgenommen.

Vortragsthemen in diversen Workshops weiter vertieft
In weiteren technisch orientierten Vorträgen wie beispielsweise von Christoph Hummel, Sicherheitsforscher beim Deutschen ­Alpenverein (DAV), ging es um alpinistische Aspekte der SZP wie »Ausgleichsverankerung und Reihenschaltung«. Praktisch hat er dieses Thema in zwei Workshops vertieft. Theoretische Aspekte von Anschlagpunkten beleuchteten Thorsten Behr, Sachkundiger für die Prüfung künstlicher Kletteranlagen, für den Bereich Bergsport und künstliche Kletteranlagen, sowie Walter Siebert, ebenfalls Sachverständiger, für den Bereich Hochseilgärten.Referent Tom Nickel, Mit­gründer und Ge­schäfts­führer von »Rope­men« sowie Ausbilder SZP und Mitglied des FISAT-Zertifiziererteams, stellte seine Erfahrungen bei auftretenden Lasten im Tragsystem vor, und zwar im Worst-case-Szenario mit unsauberer Technik und ungünstigen Konstellationen.
Markus Füss, Inhaber des Ingenieurbüros »Hochsicher« und Spezialist unter anderem für Sonderkonstruktionen mit Einzelzulassung, referierte über die Unterschiede zwischen »Work Load ­Limit« (WLL) auf der einen und Mindestbruchlast (MBL) auf der anderen Seite und ging insbesondere auf die Abgrenzung zur DIN EN 795 ein sowie die Frage_ »Dürfen sich SZP-Anschlagpunkte verformen?« Gemeinsam mit Marco Günther-Cotte, Fachbereichsleiter Industrie bei der Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH, stellte er im Anschluss praktische Beispiele für die Berechnung verschiedener Lastfälle vor. Günther-Cotte ist Dipl.-Bauingenieur, Referent des FISAT und »Erfinder« des Technikseminars.
Weniger um Physik und Technik, sondern mehr um den »Faktor Mensch« ging es bei zahlreichen weiteren Vorträgen, beispielsweise die Erhöhung der ­Gesundheitskompetenz durch Analyse von Stärken und Schwächen sowie von Chancen und Risiken_ Sonja Einhaus (B.Sc) stellte die in der strategischen Unternehmensanalyse häufig angewandte SWOT-Analyse vor und wie sie sich bei der Gesundheitsförderung von Höhenarbeitern einsetzen lässt. Ihre Kollegin Nina Landwehr vertiefte dieses Thema in einem entsprechenden Workshop mit praktischen Elementen.Management von Kommunikation und Krisen
Josef Sözbir, Coach und Berater sowie Inhaber von »Trainer­narbe«, berichtete über »Erfahrungen aus dem Krisenmanagement« und die Frage, wie man in Situationen menschlichen Leids mit sich, der Umgebung und dem Umfeld umgeht. Den Fokus legte er dabei auf das innere und äußere Krisenmanagement – beide Bereiche vertiefte er am Nachmittag in den Workshops »Der sichere Ort« und »Der Blick auf die Krise«.
Wie Psychologie und Arbeitssicherheit ineinandergreifen, thematisierte Necla Fiege, Dipl.-Wirtschaftspsychologin und Fachkraft für Arbeitssicherheit in ihrem lebendigen Vortrag »Grundlagen menschlichen Handelns«. Sie machte deutlich, dass bei Menschen die meisten Handlungen und Verhaltensweisen unbewusst erfolgen.
Was Kommunikation in der SZP als Verbindungsmittel leistet, stellte der Österreicher Sacha Poscher in seinem Vortrag vor. Er ist Soziologe, Gerichts-Sachverständiger und geprüfter Erwachsenenbildner, Mitgeschäftsführer von »Verticalwork« und einziger FISAT-Ausbilder in Österreich. Seine umfangreiche Praxis führt ihn immer wieder zu einer Erkenntnis von Paul Watzlawick_ »Man kann nicht nicht kommunizieren.« Für eine erfolgreiche Kommunikation müssten Sender und Empfänger das gleiche Hintergrundwissen haben, um Signale, Nachrichten und Informationen in gleicher Weise zu Interpretieren und Missverständnissen vorzubeugen. »Bevor man an einem Seil hängt und anderen sein Leben anvertraut, muss das geklärt sein«, betont er im Gespräch mit der bauSICHERHEIT.

Zweierteams messen sich im sportlichen Wettbewerb
Der Nachmittag bot neben diversen Workshops, die thematisch meist das theoretisch Ge­hör­te in die Praxis brachten, wei­tere Themen für Prak­tiker und ­Anwender. So lud Sven Drangeid, FISAT-Geschäftsführer und Hauptorganisator der Veranstaltung, zu einer offenen Diskussion mit Brainstorming über die Frage »Fordert der Markt einen Rope Access Manager?« Ob es zwischen den operativ tätigen Teams und dem Baustellen-Koor­dinator künftig eine Schnittstelle braucht, wird wohl auf dem kommenden Technik­seminar am 5. und 6. Ok­to­ber in Dresden weiter diskutiert werden. Für diese nächste Veranstaltung konnten in diesem Workshop auch weitere Vorschläge und Ideen eingereicht und diskutiert werden.
Dass das Technikseminar von den Wurzeln her eine sportliche DNA hat, zeigte der zeitgleich stattfindende Wettbewerb, bei dem sich unter dem Motto »Knoten, Kräfte, Kommunikation und Kondition« Zweierteams in Sachen Technik und Teamwork beweisen mussten. Organisiert vom »Kölner Seil Kommando« und unterstützt von den Herstellern Edelrid und Teufelberger sowie FISAT-Zertifizierern wurde so die Veranstaltungshalle »Oktogon« zum anspruchsvollen Kletterparcours. Bei der Siegerehrung durften sich die erfolgreichen Teams über den Applaus kompetenter Kollegen ebenso freuen wie über Preise, die von den Ausstellungspartnern der FISAT-Veranstaltung zur Verfügung gestellt wurden.Hersteller und Anwender diskutieren Haltbarkeit
Rund um Vorträge, Workshops und Live-Vorführungen haben sich dem Fachpublikum zahlreiche Hersteller und Dienstleister präsentiert, darunter Ausrüster wie Petzl, ST-Quadrat/LUX-top oder Skylotec. Neben den genannten wie Edelrid und Teufelberger waren dies CT Climbing Technology, Courant, DMM, Singing Rock und der Versicherer AlpinProtect (mehr über die gezeigten Produkte auf den folgenden Seiten).
Lebendig geführt und kontrovers in den Standpunkten war die Podiumsdiskussion zum Thema »Alterung und Ablegereife von textilen Ausrüstungsgegenständen«. Unter der Moderation von Sascha Köhler ging es um die Frage, wie lang die Haltbarkeit textiler Aurüstungskomponenten anzusetzen ist und wie sie beurteilt werden soll. Walter Siebert (Siebert Consulting) vertrat den Standpunkt, dass Al­ters­angaben seitens der Hersteller überflüssig seien_ »Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Alter und Gefährdung«, sagte er. Sein Nebensitzer Peter Popall (Vizepräsident Petzl Distribution SAS) wies darauf hin, dass eine Norm keine Verpflichtung sei. »Wenn sie bindend wäre, gäbe es keine Neuprodukte auf dem Markt – schließlich dauert die Entwicklung einer Norm drei bis fünf Jahre«, wandte er ein. Diese Aussage habe allerdings im Streitfall vor Gericht keinerlei Bestand, entgegnete Siebert.
Knut Foppe (Ropemission) sagte, passend zum Thema, die schwierigsten Faktoren seien nicht durch eine Norm in den Griff zu bekommen_ »Die Ausrüstung ist immer einfacher zu kontrol­lieren als andere Faktoren wie Mensch oder Umwelt.« Dem konnte FISAT-Präsident Eric Kuhn, der als Geschäftsführer der Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH auf dem Podium saß, nur zustimmen_ »Speziell in diesem Kreis muss man sich auf die Kompetenz verlassen, dass Anwender die Verwendbarkeit der Ausrüstung korrekt beurteilen.«

Vertrauen und Vertrautheit bilden sicheres Netzwerk
Und dieser Kreis, das zeigte sich auch von Anfang bis Ende des 10. FISAT-Technikseminars, ist einer, der sich nicht nur durch großes Vertrauen seiner Mitglieder untereinander auszeichnet, sondern auch durch eine große Vertrautheit_ Die Akteure der Branche kennen sich, man trifft und unterstützt sich und es werden Netzwerke geknüpft – im wörtlichen Sinne und mit dem Ziel, dass keiner fällt.
Das 11. Technikseminar findet am 5. und 6. Oktober in Dresden auf dem Gelände der DGUV-Akademie statt. Geplant sind die Schwerpunktthemen »vertikale Fortbewegung« und »Wechselwirkungen im Arbeitssystem«.

 

Der Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT) vertritt seit 1995 die ­Interessen derer, die unter Verwendung seilgestützter Zugangs- und Positionierungsverfahren (SZP) an schwer zugängliche Orte gelangen und sich dort in diesem Seilsystem positionieren, um zu arbeiten oder Verunfallte zu retten. Der Verband setzt sich insbesondere für die körperliche, technische und rechtliche Sicherheit der Anwender der Seilzugangstechnik in Deutschland ein und ist in zahlreichen Gremien und Ausschüssen vertreten, um für die rechtliche Sicherheit zu sorgen. Der Verband mit Sitz in Berlin hat sich außerdem zur Aufgabe gemacht, die Akzeptanz von SZP sowie die körperliche und technische Sicherheit der Anwender stetig zu verbessern. Dazu hat der Verband ein dreistufiges Zertifizierungssystem entwickelt und zusätzlich ein Handbuch herausgegeben (Abbildung), in dem Empfehlungen zum korrekten Umgang mit der Seilzugangstechnik ausgesprochen werden. Des Weiteren veröffentlicht der Verband sowohl ­umfassende Informationen zu branchenrelevanten Entwicklungen als auch Sicherheitsmeldungen und Sicherheitshinweise zum ­Thema Unfallprävention und Geräterückruf. Nicht zuletzt veranstaltet der FISAT regelmäßig Fachveranstaltungen, bei denen die Teil­nehmer zum ­einen vom Wissen der Referenten aus unterschied­lichen Bereichen und zum anderen vom Networking profitieren.

Fahrzeug-Sicherheit

Arbeiten in der Höhe mit Sicherheit auf höchstem Niveau

Was einst als sportlicher Wettbewerb unter Höhen­arbeitern begann, hat sich mittlerweile zum hochrangigen Event für alle Aspekte von seilgestützten Zugangs- und Positionierungs­verfahren (SZP) entwickelt_ Zum mittlerweile 10. Technik­seminar, veranstaltet vom Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT), sind im November mehr als 200 Teilnehmer nach Essen ins »Oktogon« der Zeche Zollverein gekommen, um sich bei Vorträgen, Workshops und Diskussionen sowie durch Live-Vorführungen und Produkt-Präsentationen auf den neuesten Stand zu bringen.

Lesedauer: min

Von Jan Rieken
So unterschiedlich die etwa 210 Teilnehmer auch sein mögen, eins haben sie gemeinsam_ Jeder würde bei Arbeiten am Seil in gefährlicher Höhe seinem Kollegen jederzeit blind vertrauen und damit sein Leben in die Hände eines anderen legen. Mit Recht_ Während laut Unfallstatistik der BG Bau 40 % aller tödlichen Unfälle im Baugewerbe Abstürze als Ursache haben (die bauSICHERHEIT berichtete in Heft 6/17, Seite 51), ist es bei ­zertifizierten Anwendern von SZP in den vergangenen Jahren deutschlandweit zu keinen tödlichen Unfällen gekommen.Einsatz für Rechts- und Arbeitssicherheit
Dass das so bleibt, ist das erklärte Ziel des FISAT und seiner Mitglieder, die sich sowohl aus Her­stellern und Praktikern aus dem Bereich Höhenarbeit zusammensetzen. Nach der Gründung im Jahr 1995 hat sich der Verband im Laufe seiner Geschichte für verschiedenste Belange eingesetzt, nachdem es lange Zeit auch große Rechtsunsicherheit beim Einsatz seilunterstützter Zugangstechniken gab. Nachdem noch im Jahr 1994 Baustellen, auf denen SZP zum Einsatz kam, geschlossen wurden, brachte das Folgejahr mit der Verhüllung des Berliner Reichstags den Durchbruch_ Mitglieder des neu gegründeten FISAT waren Teil einer Delegation, die zum Fachausschuss Bau entsendet wurde. Zuvor hatte der heutige Generalsekretär Frank Seltenheim, damals noch kein FISAT-Mitglied, eine Ausnahmegenehmigung erwirkt für den Einsatz von SZP bei der Reichstagsverhüllung.
Bei der Erarbeitung von Normen und Standards für Sicherheit, Ausbildung und Zertifizierung arbeitet der Verband von Anfang an eng mit der Berufsgenossenschaft BAU zusammen, um für gleichbleibend hohe Sicherheit zu sorgen und einen unfallfreien Einsatz von Mensch und Material zu gewährleisten (s. Infokasten).
Heute gibt es eine Fülle von Regeln, Initiativen und Vorschriften – unter anderem regelt auf europäischer Ebene die Richtlinie 2009/104/EG, welche Arbeitsmittel für das zeitweilige Arbeiten an hochgelegenen Arbeitsplätzen bereitgestellt werden müssen. Diese Vorgaben sind als Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) in deutsches Recht übernommen und gelten nicht nur für SZP, sondern schließen auch Komponenten der Persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) mit ein, also Gerüste und Leitern. Weitere Vorgaben zur Vermeidung von Abstürzen machen die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS), für seil­gestützte Arbeiten in der Höhe insbesondere die TRBS 2121. Seit 2016 gibt es außerdem eine Info-Broschüre der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV-Information 212-001), die sich mit »Arbeiten unter Verwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren« befasst.»Faktor Mensch« steht im Mittelpunkt
Das FISAT-Seminar in der Essener Zeche Zollverein stand unter dem Motto »Faktor Mensch«; in einem weiteren Schwerpunktthema ging es um »Kräfte, Lastannahmen und Kräfteverteilung«. Kompetente Referenten, die teils auch als Aussteller bei der Veranstaltung vertreten waren, haben in Vorträgen und Workshops verschiedenste Aspekte der Höhenarbeit beleuchtet, darunter technische und physikalische sowie »weiche« Themen wie Kommunikation und psychische Aspekte menschlichen Handelns.
Den Auftakt zur Vortragsreihe am Freitagnachmittag machte Daniel Gebel, Produktentwickler für Absturzsicherungen bei Edelrid. Für den Hersteller von Seilen, Gurten, Karabinern und Helmen hat Gebel die Falldämpfernorm EN 355 unter die Lupe genommen und getestet, was passiert, wenn die Falldämpfung nicht mit den genormten 100-kg-Stahl­gewicht, sondern mit Menschen leichteren Gewichts erfolgt. Das Ergebnis hat das Publikum überrascht: Mit der »Fallmasse« Mensch ergaben sich bei den Fangstoßwerten je nach Fallhöhe Abweichungen von teilweise mehr als 80 % – je geringer die Fallhöhe, desto größer die Abweichung. Ob diese bei einem Menschen mit 70 kg ermittelte Ab­weichung zum Stahlgewicht ­konstant ist oder mit steigendem ­Gewicht und entsprechend zunehmender Schwab­belmasse ebenfalls steigt, ist noch offen. Stelle man den Menschen in den Fokus, müsse bei Falldämpfersystemen die Beschleunigung und nicht die Kraft betrachtet werden, forderte Gebel.

»Ich bin seit 15 Jahren ­Industriekletterer und nehme zum fünften Mal am FISAT-Technikseminar teil. Der Verband schafft es, Mindeststandards zu definieren und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie auch eingehalten werden. Es gibt in Österreich nichts Vergleichbares.«
Sacha Poscher, Referent
beim Technikseminar und einziger FISAT-Ausbilder in Österreich

Gesundheitskompetenz ist entscheidend
Dass es bei Arbeiten mit SZP immer auch um eine sorgfältige Beurteilung möglicher Gefahren geht, zog sich nicht nur wie ein roter Faden durch die gesamte Veranstaltung, sondern war auch Thema diverser Vorträge: Dr. Bernd Kranz von der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt Halle informierte über die Bemessung von Schweißnähten nach EN 1993 und warf die Frage in den Raum, ob Höhenarbeiter sich stets darüber bewusst seien, was die Wahl einer Schweißnaht als Anschlagpunkt für Risiken bergen könnte. »Prüfen Sie vorher, woran Ihr Leben hängen wird!« Diese Forderung verband er mit dem Hinweis auf spezielle Korrosionsschutz-Lehrgänge, für die es mittlerweile zur korrekten Gefahrenbeurteilung einen eintägigen Zusatzkurs für Höhenarbeiter gibt.
Prof. Dr.-Ing. Marco Einhaus, Sachgebietsleiter Hochbau bei der DGUV, stellte in seinem Vortrag »Gesundheitsvorsorge – Auftrag der DGUV« dar, wie der »Faktor Mensch« nicht nur Unfälle vermeiden kann, sondern auch gesundheitliche Beeinträchtigungen und Berufskrankheiten. Anhand aktueller Zahlen machte er aber auch klar, dass Höhenarbeiter differenzierte Maßnahmen ergreifen müssen, um jeden Abend unversehrt nach Hause zu kommen_ Während im Jahr 2017 die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle am Bau um 37 % auf 59 gestiegen ist, war bei 30 Ereignissen Absturz Ursache für den tödlichen Arbeitsunfall – eine Zunahme um 50 % (2016 waren es 20 tödliche Abstürze). Im Gespräch mit der bauSICHERHEIT macht er jedoch deutlich_ »Es passieren aber nur ganz wenig Unfälle mit SZP. Wir hatten keine tödlichen Abstürze, seit die Verfahren beschrieben sind – und wir sehen_ es funktioniert!«
In seinem Vortrag ging Marco Einhaus auf messbare Größen im Vorfeld wie die Gesundheitskompetenz (GK): »Sie beschreibt die Fähigkeiten und Fertigkeiten, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und für gesundheitsrelevante Entscheidungen anzuwenden.« Eine schwierige Herausforderung angesichts der großen Zahl an Normen, Richtlinien und Verordnungen. Um sie zu meistern, spielt Bildung und Sprachverständnis eine große Rolle.
Repräsentative Studien (HLS-EU-Q16) haben laut Einhaus ergeben, dass immerhin mehr als die Hälfte der Erwachsenen (55,8 %) eine »ausreichende« Gesundheitskompetenz hat; »problematisch« ist sie demnach bei 31,9 %, »inadäquat« bei 12,3 %. Signifikante Unterschiede wurden bezüglich Bildung, nicht aber in Bezug auf Geschlecht oder Alter der Befragten gefunden. Weiteres Ergebnis_ Menschen mit einem niedrigen GK-Level sind körperlich und psychisch bei schlechterer Gesundheit.

»Die Veranstaltung ist eine Art Familientreffen der Seil­zugangs- und Höhenarbeitsbranche. Für uns als Her­steller ist das Technik­seminar als Networking-Event ein gutes Pflaster, um Produktneuheiten vorzustellen,
über Trends in der Branche und technische Themen zu ­diskutieren und so Anregungen für zukünftige Entwicklungen zu bekommen.«
Patrick Johrendt,
Leiter »PSA gegen Absturz«,
Teufelberger Seil Ges.m.b.H.


 Neue Qualifizierung für aufsichtführende Personen
Welche Kennt­nisse und Qualifikationen aufsichtführende Personen (SZP-Level 3) künftig haben sollen, um die Anwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren zu beaufsichtigen, war weiteres Vortragsthema. Mehrere Berufsgenossenschaften arbeiten derzeit an Seminar-Konzepten, die die relevanten Kenntnisse vermitteln sollen.
Dipl.-Ing (FH) Tanja Kopp, Aufsichtsperson bei der BG Bau und stellvertretende Leiterin des Sachgebiets »PSA gegen Absturz und Retten«, stellte vor, welche Inhalte die BG Bau in welchen Kursen und ab wann anbieten will. Mit diesem Thema befasst sich ein eigener Arbeitskreis der BG Bau, in dem neben Dipl.-Ing. Wolfgang Schäper, DGUV-Sachgebietsleiter »PSA gegen Absturz/Rettungsausrüstungen« und weiteren BG-Experten auch der FISAT mitarbeitet_ Mit am Tisch sitzt Roland Klampfl, selbst Höhenarbeiter und beim FISAT Referatsleiter Sicherheit und Ausbildung. An einem zweitägigen ­Pilotseminar haben im letzten Juli 19 Prüfer und Ausbilder des FISAT teilgenommen.

Vortragsthemen in diversen Workshops weiter vertieft
In weiteren technisch orientierten Vorträgen wie beispielsweise von Christoph Hummel, Sicherheitsforscher beim Deutschen ­Alpenverein (DAV), ging es um alpinistische Aspekte der SZP wie »Ausgleichsverankerung und Reihenschaltung«. Praktisch hat er dieses Thema in zwei Workshops vertieft. Theoretische Aspekte von Anschlagpunkten beleuchteten Thorsten Behr, Sachkundiger für die Prüfung künstlicher Kletteranlagen, für den Bereich Bergsport und künstliche Kletteranlagen, sowie Walter Siebert, ebenfalls Sachverständiger, für den Bereich Hochseilgärten.Referent Tom Nickel, Mit­gründer und Ge­schäfts­führer von »Rope­men« sowie Ausbilder SZP und Mitglied des FISAT-Zertifiziererteams, stellte seine Erfahrungen bei auftretenden Lasten im Tragsystem vor, und zwar im Worst-case-Szenario mit unsauberer Technik und ungünstigen Konstellationen.
Markus Füss, Inhaber des Ingenieurbüros »Hochsicher« und Spezialist unter anderem für Sonderkonstruktionen mit Einzelzulassung, referierte über die Unterschiede zwischen »Work Load ­Limit« (WLL) auf der einen und Mindestbruchlast (MBL) auf der anderen Seite und ging insbesondere auf die Abgrenzung zur DIN EN 795 ein sowie die Frage_ »Dürfen sich SZP-Anschlagpunkte verformen?« Gemeinsam mit Marco Günther-Cotte, Fachbereichsleiter Industrie bei der Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH, stellte er im Anschluss praktische Beispiele für die Berechnung verschiedener Lastfälle vor. Günther-Cotte ist Dipl.-Bauingenieur, Referent des FISAT und »Erfinder« des Technikseminars.
Weniger um Physik und Technik, sondern mehr um den »Faktor Mensch« ging es bei zahlreichen weiteren Vorträgen, beispielsweise die Erhöhung der ­Gesundheitskompetenz durch Analyse von Stärken und Schwächen sowie von Chancen und Risiken_ Sonja Einhaus (B.Sc) stellte die in der strategischen Unternehmensanalyse häufig angewandte SWOT-Analyse vor und wie sie sich bei der Gesundheitsförderung von Höhenarbeitern einsetzen lässt. Ihre Kollegin Nina Landwehr vertiefte dieses Thema in einem entsprechenden Workshop mit praktischen Elementen.Management von Kommunikation und Krisen
Josef Sözbir, Coach und Berater sowie Inhaber von »Trainer­narbe«, berichtete über »Erfahrungen aus dem Krisenmanagement« und die Frage, wie man in Situationen menschlichen Leids mit sich, der Umgebung und dem Umfeld umgeht. Den Fokus legte er dabei auf das innere und äußere Krisenmanagement – beide Bereiche vertiefte er am Nachmittag in den Workshops »Der sichere Ort« und »Der Blick auf die Krise«.
Wie Psychologie und Arbeitssicherheit ineinandergreifen, thematisierte Necla Fiege, Dipl.-Wirtschaftspsychologin und Fachkraft für Arbeitssicherheit in ihrem lebendigen Vortrag »Grundlagen menschlichen Handelns«. Sie machte deutlich, dass bei Menschen die meisten Handlungen und Verhaltensweisen unbewusst erfolgen.
Was Kommunikation in der SZP als Verbindungsmittel leistet, stellte der Österreicher Sacha Poscher in seinem Vortrag vor. Er ist Soziologe, Gerichts-Sachverständiger und geprüfter Erwachsenenbildner, Mitgeschäftsführer von »Verticalwork« und einziger FISAT-Ausbilder in Österreich. Seine umfangreiche Praxis führt ihn immer wieder zu einer Erkenntnis von Paul Watzlawick_ »Man kann nicht nicht kommunizieren.« Für eine erfolgreiche Kommunikation müssten Sender und Empfänger das gleiche Hintergrundwissen haben, um Signale, Nachrichten und Informationen in gleicher Weise zu Interpretieren und Missverständnissen vorzubeugen. »Bevor man an einem Seil hängt und anderen sein Leben anvertraut, muss das geklärt sein«, betont er im Gespräch mit der bauSICHERHEIT.

Zweierteams messen sich im sportlichen Wettbewerb
Der Nachmittag bot neben diversen Workshops, die thematisch meist das theoretisch Ge­hör­te in die Praxis brachten, wei­tere Themen für Prak­tiker und ­Anwender. So lud Sven Drangeid, FISAT-Geschäftsführer und Hauptorganisator der Veranstaltung, zu einer offenen Diskussion mit Brainstorming über die Frage »Fordert der Markt einen Rope Access Manager?« Ob es zwischen den operativ tätigen Teams und dem Baustellen-Koor­dinator künftig eine Schnittstelle braucht, wird wohl auf dem kommenden Technik­seminar am 5. und 6. Ok­to­ber in Dresden weiter diskutiert werden. Für diese nächste Veranstaltung konnten in diesem Workshop auch weitere Vorschläge und Ideen eingereicht und diskutiert werden.
Dass das Technikseminar von den Wurzeln her eine sportliche DNA hat, zeigte der zeitgleich stattfindende Wettbewerb, bei dem sich unter dem Motto »Knoten, Kräfte, Kommunikation und Kondition« Zweierteams in Sachen Technik und Teamwork beweisen mussten. Organisiert vom »Kölner Seil Kommando« und unterstützt von den Herstellern Edelrid und Teufelberger sowie FISAT-Zertifizierern wurde so die Veranstaltungshalle »Oktogon« zum anspruchsvollen Kletterparcours. Bei der Siegerehrung durften sich die erfolgreichen Teams über den Applaus kompetenter Kollegen ebenso freuen wie über Preise, die von den Ausstellungspartnern der FISAT-Veranstaltung zur Verfügung gestellt wurden.Hersteller und Anwender diskutieren Haltbarkeit
Rund um Vorträge, Workshops und Live-Vorführungen haben sich dem Fachpublikum zahlreiche Hersteller und Dienstleister präsentiert, darunter Ausrüster wie Petzl, ST-Quadrat/LUX-top oder Skylotec. Neben den genannten wie Edelrid und Teufelberger waren dies CT Climbing Technology, Courant, DMM, Singing Rock und der Versicherer AlpinProtect (mehr über die gezeigten Produkte auf den folgenden Seiten).
Lebendig geführt und kontrovers in den Standpunkten war die Podiumsdiskussion zum Thema »Alterung und Ablegereife von textilen Ausrüstungsgegenständen«. Unter der Moderation von Sascha Köhler ging es um die Frage, wie lang die Haltbarkeit textiler Aurüstungskomponenten anzusetzen ist und wie sie beurteilt werden soll. Walter Siebert (Siebert Consulting) vertrat den Standpunkt, dass Al­ters­angaben seitens der Hersteller überflüssig seien_ »Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Alter und Gefährdung«, sagte er. Sein Nebensitzer Peter Popall (Vizepräsident Petzl Distribution SAS) wies darauf hin, dass eine Norm keine Verpflichtung sei. »Wenn sie bindend wäre, gäbe es keine Neuprodukte auf dem Markt – schließlich dauert die Entwicklung einer Norm drei bis fünf Jahre«, wandte er ein. Diese Aussage habe allerdings im Streitfall vor Gericht keinerlei Bestand, entgegnete Siebert.
Knut Foppe (Ropemission) sagte, passend zum Thema, die schwierigsten Faktoren seien nicht durch eine Norm in den Griff zu bekommen_ »Die Ausrüstung ist immer einfacher zu kontrol­lieren als andere Faktoren wie Mensch oder Umwelt.« Dem konnte FISAT-Präsident Eric Kuhn, der als Geschäftsführer der Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH auf dem Podium saß, nur zustimmen_ »Speziell in diesem Kreis muss man sich auf die Kompetenz verlassen, dass Anwender die Verwendbarkeit der Ausrüstung korrekt beurteilen.«

Vertrauen und Vertrautheit bilden sicheres Netzwerk
Und dieser Kreis, das zeigte sich auch von Anfang bis Ende des 10. FISAT-Technikseminars, ist einer, der sich nicht nur durch großes Vertrauen seiner Mitglieder untereinander auszeichnet, sondern auch durch eine große Vertrautheit_ Die Akteure der Branche kennen sich, man trifft und unterstützt sich und es werden Netzwerke geknüpft – im wörtlichen Sinne und mit dem Ziel, dass keiner fällt.
Das 11. Technikseminar findet am 5. und 6. Oktober in Dresden auf dem Gelände der DGUV-Akademie statt. Geplant sind die Schwerpunktthemen »vertikale Fortbewegung« und »Wechselwirkungen im Arbeitssystem«.

 

Der Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT) vertritt seit 1995 die ­Interessen derer, die unter Verwendung seilgestützter Zugangs- und Positionierungsverfahren (SZP) an schwer zugängliche Orte gelangen und sich dort in diesem Seilsystem positionieren, um zu arbeiten oder Verunfallte zu retten. Der Verband setzt sich insbesondere für die körperliche, technische und rechtliche Sicherheit der Anwender der Seilzugangstechnik in Deutschland ein und ist in zahlreichen Gremien und Ausschüssen vertreten, um für die rechtliche Sicherheit zu sorgen. Der Verband mit Sitz in Berlin hat sich außerdem zur Aufgabe gemacht, die Akzeptanz von SZP sowie die körperliche und technische Sicherheit der Anwender stetig zu verbessern. Dazu hat der Verband ein dreistufiges Zertifizierungssystem entwickelt und zusätzlich ein Handbuch herausgegeben (Abbildung), in dem Empfehlungen zum korrekten Umgang mit der Seilzugangstechnik ausgesprochen werden. Des Weiteren veröffentlicht der Verband sowohl ­umfassende Informationen zu branchenrelevanten Entwicklungen als auch Sicherheitsmeldungen und Sicherheitshinweise zum ­Thema Unfallprävention und Geräterückruf. Nicht zuletzt veranstaltet der FISAT regelmäßig Fachveranstaltungen, bei denen die Teil­nehmer zum ­einen vom Wissen der Referenten aus unterschied­lichen Bereichen und zum anderen vom Networking profitieren.

Kommunikation, Information

Arbeiten in der Höhe mit Sicherheit auf höchstem Niveau

Was einst als sportlicher Wettbewerb unter Höhen­arbeitern begann, hat sich mittlerweile zum hochrangigen Event für alle Aspekte von seilgestützten Zugangs- und Positionierungs­verfahren (SZP) entwickelt_ Zum mittlerweile 10. Technik­seminar, veranstaltet vom Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT), sind im November mehr als 200 Teilnehmer nach Essen ins »Oktogon« der Zeche Zollverein gekommen, um sich bei Vorträgen, Workshops und Diskussionen sowie durch Live-Vorführungen und Produkt-Präsentationen auf den neuesten Stand zu bringen.

Lesedauer: min

Von Jan Rieken
So unterschiedlich die etwa 210 Teilnehmer auch sein mögen, eins haben sie gemeinsam_ Jeder würde bei Arbeiten am Seil in gefährlicher Höhe seinem Kollegen jederzeit blind vertrauen und damit sein Leben in die Hände eines anderen legen. Mit Recht_ Während laut Unfallstatistik der BG Bau 40 % aller tödlichen Unfälle im Baugewerbe Abstürze als Ursache haben (die bauSICHERHEIT berichtete in Heft 6/17, Seite 51), ist es bei ­zertifizierten Anwendern von SZP in den vergangenen Jahren deutschlandweit zu keinen tödlichen Unfällen gekommen.Einsatz für Rechts- und Arbeitssicherheit
Dass das so bleibt, ist das erklärte Ziel des FISAT und seiner Mitglieder, die sich sowohl aus Her­stellern und Praktikern aus dem Bereich Höhenarbeit zusammensetzen. Nach der Gründung im Jahr 1995 hat sich der Verband im Laufe seiner Geschichte für verschiedenste Belange eingesetzt, nachdem es lange Zeit auch große Rechtsunsicherheit beim Einsatz seilunterstützter Zugangstechniken gab. Nachdem noch im Jahr 1994 Baustellen, auf denen SZP zum Einsatz kam, geschlossen wurden, brachte das Folgejahr mit der Verhüllung des Berliner Reichstags den Durchbruch_ Mitglieder des neu gegründeten FISAT waren Teil einer Delegation, die zum Fachausschuss Bau entsendet wurde. Zuvor hatte der heutige Generalsekretär Frank Seltenheim, damals noch kein FISAT-Mitglied, eine Ausnahmegenehmigung erwirkt für den Einsatz von SZP bei der Reichstagsverhüllung.
Bei der Erarbeitung von Normen und Standards für Sicherheit, Ausbildung und Zertifizierung arbeitet der Verband von Anfang an eng mit der Berufsgenossenschaft BAU zusammen, um für gleichbleibend hohe Sicherheit zu sorgen und einen unfallfreien Einsatz von Mensch und Material zu gewährleisten (s. Infokasten).
Heute gibt es eine Fülle von Regeln, Initiativen und Vorschriften – unter anderem regelt auf europäischer Ebene die Richtlinie 2009/104/EG, welche Arbeitsmittel für das zeitweilige Arbeiten an hochgelegenen Arbeitsplätzen bereitgestellt werden müssen. Diese Vorgaben sind als Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) in deutsches Recht übernommen und gelten nicht nur für SZP, sondern schließen auch Komponenten der Persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) mit ein, also Gerüste und Leitern. Weitere Vorgaben zur Vermeidung von Abstürzen machen die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS), für seil­gestützte Arbeiten in der Höhe insbesondere die TRBS 2121. Seit 2016 gibt es außerdem eine Info-Broschüre der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV-Information 212-001), die sich mit »Arbeiten unter Verwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren« befasst.»Faktor Mensch« steht im Mittelpunkt
Das FISAT-Seminar in der Essener Zeche Zollverein stand unter dem Motto »Faktor Mensch«; in einem weiteren Schwerpunktthema ging es um »Kräfte, Lastannahmen und Kräfteverteilung«. Kompetente Referenten, die teils auch als Aussteller bei der Veranstaltung vertreten waren, haben in Vorträgen und Workshops verschiedenste Aspekte der Höhenarbeit beleuchtet, darunter technische und physikalische sowie »weiche« Themen wie Kommunikation und psychische Aspekte menschlichen Handelns.
Den Auftakt zur Vortragsreihe am Freitagnachmittag machte Daniel Gebel, Produktentwickler für Absturzsicherungen bei Edelrid. Für den Hersteller von Seilen, Gurten, Karabinern und Helmen hat Gebel die Falldämpfernorm EN 355 unter die Lupe genommen und getestet, was passiert, wenn die Falldämpfung nicht mit den genormten 100-kg-Stahl­gewicht, sondern mit Menschen leichteren Gewichts erfolgt. Das Ergebnis hat das Publikum überrascht: Mit der »Fallmasse« Mensch ergaben sich bei den Fangstoßwerten je nach Fallhöhe Abweichungen von teilweise mehr als 80 % – je geringer die Fallhöhe, desto größer die Abweichung. Ob diese bei einem Menschen mit 70 kg ermittelte Ab­weichung zum Stahlgewicht ­konstant ist oder mit steigendem ­Gewicht und entsprechend zunehmender Schwab­belmasse ebenfalls steigt, ist noch offen. Stelle man den Menschen in den Fokus, müsse bei Falldämpfersystemen die Beschleunigung und nicht die Kraft betrachtet werden, forderte Gebel.

»Ich bin seit 15 Jahren ­Industriekletterer und nehme zum fünften Mal am FISAT-Technikseminar teil. Der Verband schafft es, Mindeststandards zu definieren und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie auch eingehalten werden. Es gibt in Österreich nichts Vergleichbares.«
Sacha Poscher, Referent
beim Technikseminar und einziger FISAT-Ausbilder in Österreich

Gesundheitskompetenz ist entscheidend
Dass es bei Arbeiten mit SZP immer auch um eine sorgfältige Beurteilung möglicher Gefahren geht, zog sich nicht nur wie ein roter Faden durch die gesamte Veranstaltung, sondern war auch Thema diverser Vorträge: Dr. Bernd Kranz von der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt Halle informierte über die Bemessung von Schweißnähten nach EN 1993 und warf die Frage in den Raum, ob Höhenarbeiter sich stets darüber bewusst seien, was die Wahl einer Schweißnaht als Anschlagpunkt für Risiken bergen könnte. »Prüfen Sie vorher, woran Ihr Leben hängen wird!« Diese Forderung verband er mit dem Hinweis auf spezielle Korrosionsschutz-Lehrgänge, für die es mittlerweile zur korrekten Gefahrenbeurteilung einen eintägigen Zusatzkurs für Höhenarbeiter gibt.
Prof. Dr.-Ing. Marco Einhaus, Sachgebietsleiter Hochbau bei der DGUV, stellte in seinem Vortrag »Gesundheitsvorsorge – Auftrag der DGUV« dar, wie der »Faktor Mensch« nicht nur Unfälle vermeiden kann, sondern auch gesundheitliche Beeinträchtigungen und Berufskrankheiten. Anhand aktueller Zahlen machte er aber auch klar, dass Höhenarbeiter differenzierte Maßnahmen ergreifen müssen, um jeden Abend unversehrt nach Hause zu kommen_ Während im Jahr 2017 die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle am Bau um 37 % auf 59 gestiegen ist, war bei 30 Ereignissen Absturz Ursache für den tödlichen Arbeitsunfall – eine Zunahme um 50 % (2016 waren es 20 tödliche Abstürze). Im Gespräch mit der bauSICHERHEIT macht er jedoch deutlich_ »Es passieren aber nur ganz wenig Unfälle mit SZP. Wir hatten keine tödlichen Abstürze, seit die Verfahren beschrieben sind – und wir sehen_ es funktioniert!«
In seinem Vortrag ging Marco Einhaus auf messbare Größen im Vorfeld wie die Gesundheitskompetenz (GK): »Sie beschreibt die Fähigkeiten und Fertigkeiten, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und für gesundheitsrelevante Entscheidungen anzuwenden.« Eine schwierige Herausforderung angesichts der großen Zahl an Normen, Richtlinien und Verordnungen. Um sie zu meistern, spielt Bildung und Sprachverständnis eine große Rolle.
Repräsentative Studien (HLS-EU-Q16) haben laut Einhaus ergeben, dass immerhin mehr als die Hälfte der Erwachsenen (55,8 %) eine »ausreichende« Gesundheitskompetenz hat; »problematisch« ist sie demnach bei 31,9 %, »inadäquat« bei 12,3 %. Signifikante Unterschiede wurden bezüglich Bildung, nicht aber in Bezug auf Geschlecht oder Alter der Befragten gefunden. Weiteres Ergebnis_ Menschen mit einem niedrigen GK-Level sind körperlich und psychisch bei schlechterer Gesundheit.

»Die Veranstaltung ist eine Art Familientreffen der Seil­zugangs- und Höhenarbeitsbranche. Für uns als Her­steller ist das Technik­seminar als Networking-Event ein gutes Pflaster, um Produktneuheiten vorzustellen,
über Trends in der Branche und technische Themen zu ­diskutieren und so Anregungen für zukünftige Entwicklungen zu bekommen.«
Patrick Johrendt,
Leiter »PSA gegen Absturz«,
Teufelberger Seil Ges.m.b.H.


 Neue Qualifizierung für aufsichtführende Personen
Welche Kennt­nisse und Qualifikationen aufsichtführende Personen (SZP-Level 3) künftig haben sollen, um die Anwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren zu beaufsichtigen, war weiteres Vortragsthema. Mehrere Berufsgenossenschaften arbeiten derzeit an Seminar-Konzepten, die die relevanten Kenntnisse vermitteln sollen.
Dipl.-Ing (FH) Tanja Kopp, Aufsichtsperson bei der BG Bau und stellvertretende Leiterin des Sachgebiets »PSA gegen Absturz und Retten«, stellte vor, welche Inhalte die BG Bau in welchen Kursen und ab wann anbieten will. Mit diesem Thema befasst sich ein eigener Arbeitskreis der BG Bau, in dem neben Dipl.-Ing. Wolfgang Schäper, DGUV-Sachgebietsleiter »PSA gegen Absturz/Rettungsausrüstungen« und weiteren BG-Experten auch der FISAT mitarbeitet_ Mit am Tisch sitzt Roland Klampfl, selbst Höhenarbeiter und beim FISAT Referatsleiter Sicherheit und Ausbildung. An einem zweitägigen ­Pilotseminar haben im letzten Juli 19 Prüfer und Ausbilder des FISAT teilgenommen.

Vortragsthemen in diversen Workshops weiter vertieft
In weiteren technisch orientierten Vorträgen wie beispielsweise von Christoph Hummel, Sicherheitsforscher beim Deutschen ­Alpenverein (DAV), ging es um alpinistische Aspekte der SZP wie »Ausgleichsverankerung und Reihenschaltung«. Praktisch hat er dieses Thema in zwei Workshops vertieft. Theoretische Aspekte von Anschlagpunkten beleuchteten Thorsten Behr, Sachkundiger für die Prüfung künstlicher Kletteranlagen, für den Bereich Bergsport und künstliche Kletteranlagen, sowie Walter Siebert, ebenfalls Sachverständiger, für den Bereich Hochseilgärten.Referent Tom Nickel, Mit­gründer und Ge­schäfts­führer von »Rope­men« sowie Ausbilder SZP und Mitglied des FISAT-Zertifiziererteams, stellte seine Erfahrungen bei auftretenden Lasten im Tragsystem vor, und zwar im Worst-case-Szenario mit unsauberer Technik und ungünstigen Konstellationen.
Markus Füss, Inhaber des Ingenieurbüros »Hochsicher« und Spezialist unter anderem für Sonderkonstruktionen mit Einzelzulassung, referierte über die Unterschiede zwischen »Work Load ­Limit« (WLL) auf der einen und Mindestbruchlast (MBL) auf der anderen Seite und ging insbesondere auf die Abgrenzung zur DIN EN 795 ein sowie die Frage_ »Dürfen sich SZP-Anschlagpunkte verformen?« Gemeinsam mit Marco Günther-Cotte, Fachbereichsleiter Industrie bei der Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH, stellte er im Anschluss praktische Beispiele für die Berechnung verschiedener Lastfälle vor. Günther-Cotte ist Dipl.-Bauingenieur, Referent des FISAT und »Erfinder« des Technikseminars.
Weniger um Physik und Technik, sondern mehr um den »Faktor Mensch« ging es bei zahlreichen weiteren Vorträgen, beispielsweise die Erhöhung der ­Gesundheitskompetenz durch Analyse von Stärken und Schwächen sowie von Chancen und Risiken_ Sonja Einhaus (B.Sc) stellte die in der strategischen Unternehmensanalyse häufig angewandte SWOT-Analyse vor und wie sie sich bei der Gesundheitsförderung von Höhenarbeitern einsetzen lässt. Ihre Kollegin Nina Landwehr vertiefte dieses Thema in einem entsprechenden Workshop mit praktischen Elementen.Management von Kommunikation und Krisen
Josef Sözbir, Coach und Berater sowie Inhaber von »Trainer­narbe«, berichtete über »Erfahrungen aus dem Krisenmanagement« und die Frage, wie man in Situationen menschlichen Leids mit sich, der Umgebung und dem Umfeld umgeht. Den Fokus legte er dabei auf das innere und äußere Krisenmanagement – beide Bereiche vertiefte er am Nachmittag in den Workshops »Der sichere Ort« und »Der Blick auf die Krise«.
Wie Psychologie und Arbeitssicherheit ineinandergreifen, thematisierte Necla Fiege, Dipl.-Wirtschaftspsychologin und Fachkraft für Arbeitssicherheit in ihrem lebendigen Vortrag »Grundlagen menschlichen Handelns«. Sie machte deutlich, dass bei Menschen die meisten Handlungen und Verhaltensweisen unbewusst erfolgen.
Was Kommunikation in der SZP als Verbindungsmittel leistet, stellte der Österreicher Sacha Poscher in seinem Vortrag vor. Er ist Soziologe, Gerichts-Sachverständiger und geprüfter Erwachsenenbildner, Mitgeschäftsführer von »Verticalwork« und einziger FISAT-Ausbilder in Österreich. Seine umfangreiche Praxis führt ihn immer wieder zu einer Erkenntnis von Paul Watzlawick_ »Man kann nicht nicht kommunizieren.« Für eine erfolgreiche Kommunikation müssten Sender und Empfänger das gleiche Hintergrundwissen haben, um Signale, Nachrichten und Informationen in gleicher Weise zu Interpretieren und Missverständnissen vorzubeugen. »Bevor man an einem Seil hängt und anderen sein Leben anvertraut, muss das geklärt sein«, betont er im Gespräch mit der bauSICHERHEIT.

Zweierteams messen sich im sportlichen Wettbewerb
Der Nachmittag bot neben diversen Workshops, die thematisch meist das theoretisch Ge­hör­te in die Praxis brachten, wei­tere Themen für Prak­tiker und ­Anwender. So lud Sven Drangeid, FISAT-Geschäftsführer und Hauptorganisator der Veranstaltung, zu einer offenen Diskussion mit Brainstorming über die Frage »Fordert der Markt einen Rope Access Manager?« Ob es zwischen den operativ tätigen Teams und dem Baustellen-Koor­dinator künftig eine Schnittstelle braucht, wird wohl auf dem kommenden Technik­seminar am 5. und 6. Ok­to­ber in Dresden weiter diskutiert werden. Für diese nächste Veranstaltung konnten in diesem Workshop auch weitere Vorschläge und Ideen eingereicht und diskutiert werden.
Dass das Technikseminar von den Wurzeln her eine sportliche DNA hat, zeigte der zeitgleich stattfindende Wettbewerb, bei dem sich unter dem Motto »Knoten, Kräfte, Kommunikation und Kondition« Zweierteams in Sachen Technik und Teamwork beweisen mussten. Organisiert vom »Kölner Seil Kommando« und unterstützt von den Herstellern Edelrid und Teufelberger sowie FISAT-Zertifizierern wurde so die Veranstaltungshalle »Oktogon« zum anspruchsvollen Kletterparcours. Bei der Siegerehrung durften sich die erfolgreichen Teams über den Applaus kompetenter Kollegen ebenso freuen wie über Preise, die von den Ausstellungspartnern der FISAT-Veranstaltung zur Verfügung gestellt wurden.Hersteller und Anwender diskutieren Haltbarkeit
Rund um Vorträge, Workshops und Live-Vorführungen haben sich dem Fachpublikum zahlreiche Hersteller und Dienstleister präsentiert, darunter Ausrüster wie Petzl, ST-Quadrat/LUX-top oder Skylotec. Neben den genannten wie Edelrid und Teufelberger waren dies CT Climbing Technology, Courant, DMM, Singing Rock und der Versicherer AlpinProtect (mehr über die gezeigten Produkte auf den folgenden Seiten).
Lebendig geführt und kontrovers in den Standpunkten war die Podiumsdiskussion zum Thema »Alterung und Ablegereife von textilen Ausrüstungsgegenständen«. Unter der Moderation von Sascha Köhler ging es um die Frage, wie lang die Haltbarkeit textiler Aurüstungskomponenten anzusetzen ist und wie sie beurteilt werden soll. Walter Siebert (Siebert Consulting) vertrat den Standpunkt, dass Al­ters­angaben seitens der Hersteller überflüssig seien_ »Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Alter und Gefährdung«, sagte er. Sein Nebensitzer Peter Popall (Vizepräsident Petzl Distribution SAS) wies darauf hin, dass eine Norm keine Verpflichtung sei. »Wenn sie bindend wäre, gäbe es keine Neuprodukte auf dem Markt – schließlich dauert die Entwicklung einer Norm drei bis fünf Jahre«, wandte er ein. Diese Aussage habe allerdings im Streitfall vor Gericht keinerlei Bestand, entgegnete Siebert.
Knut Foppe (Ropemission) sagte, passend zum Thema, die schwierigsten Faktoren seien nicht durch eine Norm in den Griff zu bekommen_ »Die Ausrüstung ist immer einfacher zu kontrol­lieren als andere Faktoren wie Mensch oder Umwelt.« Dem konnte FISAT-Präsident Eric Kuhn, der als Geschäftsführer der Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH auf dem Podium saß, nur zustimmen_ »Speziell in diesem Kreis muss man sich auf die Kompetenz verlassen, dass Anwender die Verwendbarkeit der Ausrüstung korrekt beurteilen.«

Vertrauen und Vertrautheit bilden sicheres Netzwerk
Und dieser Kreis, das zeigte sich auch von Anfang bis Ende des 10. FISAT-Technikseminars, ist einer, der sich nicht nur durch großes Vertrauen seiner Mitglieder untereinander auszeichnet, sondern auch durch eine große Vertrautheit_ Die Akteure der Branche kennen sich, man trifft und unterstützt sich und es werden Netzwerke geknüpft – im wörtlichen Sinne und mit dem Ziel, dass keiner fällt.
Das 11. Technikseminar findet am 5. und 6. Oktober in Dresden auf dem Gelände der DGUV-Akademie statt. Geplant sind die Schwerpunktthemen »vertikale Fortbewegung« und »Wechselwirkungen im Arbeitssystem«.

 

Der Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT) vertritt seit 1995 die ­Interessen derer, die unter Verwendung seilgestützter Zugangs- und Positionierungsverfahren (SZP) an schwer zugängliche Orte gelangen und sich dort in diesem Seilsystem positionieren, um zu arbeiten oder Verunfallte zu retten. Der Verband setzt sich insbesondere für die körperliche, technische und rechtliche Sicherheit der Anwender der Seilzugangstechnik in Deutschland ein und ist in zahlreichen Gremien und Ausschüssen vertreten, um für die rechtliche Sicherheit zu sorgen. Der Verband mit Sitz in Berlin hat sich außerdem zur Aufgabe gemacht, die Akzeptanz von SZP sowie die körperliche und technische Sicherheit der Anwender stetig zu verbessern. Dazu hat der Verband ein dreistufiges Zertifizierungssystem entwickelt und zusätzlich ein Handbuch herausgegeben (Abbildung), in dem Empfehlungen zum korrekten Umgang mit der Seilzugangstechnik ausgesprochen werden. Des Weiteren veröffentlicht der Verband sowohl ­umfassende Informationen zu branchenrelevanten Entwicklungen als auch Sicherheitsmeldungen und Sicherheitshinweise zum ­Thema Unfallprävention und Geräterückruf. Nicht zuletzt veranstaltet der FISAT regelmäßig Fachveranstaltungen, bei denen die Teil­nehmer zum ­einen vom Wissen der Referenten aus unterschied­lichen Bereichen und zum anderen vom Networking profitieren.

Workwear

Arbeiten in der Höhe mit Sicherheit auf höchstem Niveau

Was einst als sportlicher Wettbewerb unter Höhen­arbeitern begann, hat sich mittlerweile zum hochrangigen Event für alle Aspekte von seilgestützten Zugangs- und Positionierungs­verfahren (SZP) entwickelt_ Zum mittlerweile 10. Technik­seminar, veranstaltet vom Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT), sind im November mehr als 200 Teilnehmer nach Essen ins »Oktogon« der Zeche Zollverein gekommen, um sich bei Vorträgen, Workshops und Diskussionen sowie durch Live-Vorführungen und Produkt-Präsentationen auf den neuesten Stand zu bringen.

Lesedauer: min

Von Jan Rieken
So unterschiedlich die etwa 210 Teilnehmer auch sein mögen, eins haben sie gemeinsam_ Jeder würde bei Arbeiten am Seil in gefährlicher Höhe seinem Kollegen jederzeit blind vertrauen und damit sein Leben in die Hände eines anderen legen. Mit Recht_ Während laut Unfallstatistik der BG Bau 40 % aller tödlichen Unfälle im Baugewerbe Abstürze als Ursache haben (die bauSICHERHEIT berichtete in Heft 6/17, Seite 51), ist es bei ­zertifizierten Anwendern von SZP in den vergangenen Jahren deutschlandweit zu keinen tödlichen Unfällen gekommen.Einsatz für Rechts- und Arbeitssicherheit
Dass das so bleibt, ist das erklärte Ziel des FISAT und seiner Mitglieder, die sich sowohl aus Her­stellern und Praktikern aus dem Bereich Höhenarbeit zusammensetzen. Nach der Gründung im Jahr 1995 hat sich der Verband im Laufe seiner Geschichte für verschiedenste Belange eingesetzt, nachdem es lange Zeit auch große Rechtsunsicherheit beim Einsatz seilunterstützter Zugangstechniken gab. Nachdem noch im Jahr 1994 Baustellen, auf denen SZP zum Einsatz kam, geschlossen wurden, brachte das Folgejahr mit der Verhüllung des Berliner Reichstags den Durchbruch_ Mitglieder des neu gegründeten FISAT waren Teil einer Delegation, die zum Fachausschuss Bau entsendet wurde. Zuvor hatte der heutige Generalsekretär Frank Seltenheim, damals noch kein FISAT-Mitglied, eine Ausnahmegenehmigung erwirkt für den Einsatz von SZP bei der Reichstagsverhüllung.
Bei der Erarbeitung von Normen und Standards für Sicherheit, Ausbildung und Zertifizierung arbeitet der Verband von Anfang an eng mit der Berufsgenossenschaft BAU zusammen, um für gleichbleibend hohe Sicherheit zu sorgen und einen unfallfreien Einsatz von Mensch und Material zu gewährleisten (s. Infokasten).
Heute gibt es eine Fülle von Regeln, Initiativen und Vorschriften – unter anderem regelt auf europäischer Ebene die Richtlinie 2009/104/EG, welche Arbeitsmittel für das zeitweilige Arbeiten an hochgelegenen Arbeitsplätzen bereitgestellt werden müssen. Diese Vorgaben sind als Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) in deutsches Recht übernommen und gelten nicht nur für SZP, sondern schließen auch Komponenten der Persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) mit ein, also Gerüste und Leitern. Weitere Vorgaben zur Vermeidung von Abstürzen machen die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS), für seil­gestützte Arbeiten in der Höhe insbesondere die TRBS 2121. Seit 2016 gibt es außerdem eine Info-Broschüre der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV-Information 212-001), die sich mit »Arbeiten unter Verwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren« befasst.»Faktor Mensch« steht im Mittelpunkt
Das FISAT-Seminar in der Essener Zeche Zollverein stand unter dem Motto »Faktor Mensch«; in einem weiteren Schwerpunktthema ging es um »Kräfte, Lastannahmen und Kräfteverteilung«. Kompetente Referenten, die teils auch als Aussteller bei der Veranstaltung vertreten waren, haben in Vorträgen und Workshops verschiedenste Aspekte der Höhenarbeit beleuchtet, darunter technische und physikalische sowie »weiche« Themen wie Kommunikation und psychische Aspekte menschlichen Handelns.
Den Auftakt zur Vortragsreihe am Freitagnachmittag machte Daniel Gebel, Produktentwickler für Absturzsicherungen bei Edelrid. Für den Hersteller von Seilen, Gurten, Karabinern und Helmen hat Gebel die Falldämpfernorm EN 355 unter die Lupe genommen und getestet, was passiert, wenn die Falldämpfung nicht mit den genormten 100-kg-Stahl­gewicht, sondern mit Menschen leichteren Gewichts erfolgt. Das Ergebnis hat das Publikum überrascht: Mit der »Fallmasse« Mensch ergaben sich bei den Fangstoßwerten je nach Fallhöhe Abweichungen von teilweise mehr als 80 % – je geringer die Fallhöhe, desto größer die Abweichung. Ob diese bei einem Menschen mit 70 kg ermittelte Ab­weichung zum Stahlgewicht ­konstant ist oder mit steigendem ­Gewicht und entsprechend zunehmender Schwab­belmasse ebenfalls steigt, ist noch offen. Stelle man den Menschen in den Fokus, müsse bei Falldämpfersystemen die Beschleunigung und nicht die Kraft betrachtet werden, forderte Gebel.

»Ich bin seit 15 Jahren ­Industriekletterer und nehme zum fünften Mal am FISAT-Technikseminar teil. Der Verband schafft es, Mindeststandards zu definieren und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie auch eingehalten werden. Es gibt in Österreich nichts Vergleichbares.«
Sacha Poscher, Referent
beim Technikseminar und einziger FISAT-Ausbilder in Österreich

Gesundheitskompetenz ist entscheidend
Dass es bei Arbeiten mit SZP immer auch um eine sorgfältige Beurteilung möglicher Gefahren geht, zog sich nicht nur wie ein roter Faden durch die gesamte Veranstaltung, sondern war auch Thema diverser Vorträge: Dr. Bernd Kranz von der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt Halle informierte über die Bemessung von Schweißnähten nach EN 1993 und warf die Frage in den Raum, ob Höhenarbeiter sich stets darüber bewusst seien, was die Wahl einer Schweißnaht als Anschlagpunkt für Risiken bergen könnte. »Prüfen Sie vorher, woran Ihr Leben hängen wird!« Diese Forderung verband er mit dem Hinweis auf spezielle Korrosionsschutz-Lehrgänge, für die es mittlerweile zur korrekten Gefahrenbeurteilung einen eintägigen Zusatzkurs für Höhenarbeiter gibt.
Prof. Dr.-Ing. Marco Einhaus, Sachgebietsleiter Hochbau bei der DGUV, stellte in seinem Vortrag »Gesundheitsvorsorge – Auftrag der DGUV« dar, wie der »Faktor Mensch« nicht nur Unfälle vermeiden kann, sondern auch gesundheitliche Beeinträchtigungen und Berufskrankheiten. Anhand aktueller Zahlen machte er aber auch klar, dass Höhenarbeiter differenzierte Maßnahmen ergreifen müssen, um jeden Abend unversehrt nach Hause zu kommen_ Während im Jahr 2017 die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle am Bau um 37 % auf 59 gestiegen ist, war bei 30 Ereignissen Absturz Ursache für den tödlichen Arbeitsunfall – eine Zunahme um 50 % (2016 waren es 20 tödliche Abstürze). Im Gespräch mit der bauSICHERHEIT macht er jedoch deutlich_ »Es passieren aber nur ganz wenig Unfälle mit SZP. Wir hatten keine tödlichen Abstürze, seit die Verfahren beschrieben sind – und wir sehen_ es funktioniert!«
In seinem Vortrag ging Marco Einhaus auf messbare Größen im Vorfeld wie die Gesundheitskompetenz (GK): »Sie beschreibt die Fähigkeiten und Fertigkeiten, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und für gesundheitsrelevante Entscheidungen anzuwenden.« Eine schwierige Herausforderung angesichts der großen Zahl an Normen, Richtlinien und Verordnungen. Um sie zu meistern, spielt Bildung und Sprachverständnis eine große Rolle.
Repräsentative Studien (HLS-EU-Q16) haben laut Einhaus ergeben, dass immerhin mehr als die Hälfte der Erwachsenen (55,8 %) eine »ausreichende« Gesundheitskompetenz hat; »problematisch« ist sie demnach bei 31,9 %, »inadäquat« bei 12,3 %. Signifikante Unterschiede wurden bezüglich Bildung, nicht aber in Bezug auf Geschlecht oder Alter der Befragten gefunden. Weiteres Ergebnis_ Menschen mit einem niedrigen GK-Level sind körperlich und psychisch bei schlechterer Gesundheit.

»Die Veranstaltung ist eine Art Familientreffen der Seil­zugangs- und Höhenarbeitsbranche. Für uns als Her­steller ist das Technik­seminar als Networking-Event ein gutes Pflaster, um Produktneuheiten vorzustellen,
über Trends in der Branche und technische Themen zu ­diskutieren und so Anregungen für zukünftige Entwicklungen zu bekommen.«
Patrick Johrendt,
Leiter »PSA gegen Absturz«,
Teufelberger Seil Ges.m.b.H.


 Neue Qualifizierung für aufsichtführende Personen
Welche Kennt­nisse und Qualifikationen aufsichtführende Personen (SZP-Level 3) künftig haben sollen, um die Anwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren zu beaufsichtigen, war weiteres Vortragsthema. Mehrere Berufsgenossenschaften arbeiten derzeit an Seminar-Konzepten, die die relevanten Kenntnisse vermitteln sollen.
Dipl.-Ing (FH) Tanja Kopp, Aufsichtsperson bei der BG Bau und stellvertretende Leiterin des Sachgebiets »PSA gegen Absturz und Retten«, stellte vor, welche Inhalte die BG Bau in welchen Kursen und ab wann anbieten will. Mit diesem Thema befasst sich ein eigener Arbeitskreis der BG Bau, in dem neben Dipl.-Ing. Wolfgang Schäper, DGUV-Sachgebietsleiter »PSA gegen Absturz/Rettungsausrüstungen« und weiteren BG-Experten auch der FISAT mitarbeitet_ Mit am Tisch sitzt Roland Klampfl, selbst Höhenarbeiter und beim FISAT Referatsleiter Sicherheit und Ausbildung. An einem zweitägigen ­Pilotseminar haben im letzten Juli 19 Prüfer und Ausbilder des FISAT teilgenommen.

Vortragsthemen in diversen Workshops weiter vertieft
In weiteren technisch orientierten Vorträgen wie beispielsweise von Christoph Hummel, Sicherheitsforscher beim Deutschen ­Alpenverein (DAV), ging es um alpinistische Aspekte der SZP wie »Ausgleichsverankerung und Reihenschaltung«. Praktisch hat er dieses Thema in zwei Workshops vertieft. Theoretische Aspekte von Anschlagpunkten beleuchteten Thorsten Behr, Sachkundiger für die Prüfung künstlicher Kletteranlagen, für den Bereich Bergsport und künstliche Kletteranlagen, sowie Walter Siebert, ebenfalls Sachverständiger, für den Bereich Hochseilgärten.Referent Tom Nickel, Mit­gründer und Ge­schäfts­führer von »Rope­men« sowie Ausbilder SZP und Mitglied des FISAT-Zertifiziererteams, stellte seine Erfahrungen bei auftretenden Lasten im Tragsystem vor, und zwar im Worst-case-Szenario mit unsauberer Technik und ungünstigen Konstellationen.
Markus Füss, Inhaber des Ingenieurbüros »Hochsicher« und Spezialist unter anderem für Sonderkonstruktionen mit Einzelzulassung, referierte über die Unterschiede zwischen »Work Load ­Limit« (WLL) auf der einen und Mindestbruchlast (MBL) auf der anderen Seite und ging insbesondere auf die Abgrenzung zur DIN EN 795 ein sowie die Frage_ »Dürfen sich SZP-Anschlagpunkte verformen?« Gemeinsam mit Marco Günther-Cotte, Fachbereichsleiter Industrie bei der Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH, stellte er im Anschluss praktische Beispiele für die Berechnung verschiedener Lastfälle vor. Günther-Cotte ist Dipl.-Bauingenieur, Referent des FISAT und »Erfinder« des Technikseminars.
Weniger um Physik und Technik, sondern mehr um den »Faktor Mensch« ging es bei zahlreichen weiteren Vorträgen, beispielsweise die Erhöhung der ­Gesundheitskompetenz durch Analyse von Stärken und Schwächen sowie von Chancen und Risiken_ Sonja Einhaus (B.Sc) stellte die in der strategischen Unternehmensanalyse häufig angewandte SWOT-Analyse vor und wie sie sich bei der Gesundheitsförderung von Höhenarbeitern einsetzen lässt. Ihre Kollegin Nina Landwehr vertiefte dieses Thema in einem entsprechenden Workshop mit praktischen Elementen.Management von Kommunikation und Krisen
Josef Sözbir, Coach und Berater sowie Inhaber von »Trainer­narbe«, berichtete über »Erfahrungen aus dem Krisenmanagement« und die Frage, wie man in Situationen menschlichen Leids mit sich, der Umgebung und dem Umfeld umgeht. Den Fokus legte er dabei auf das innere und äußere Krisenmanagement – beide Bereiche vertiefte er am Nachmittag in den Workshops »Der sichere Ort« und »Der Blick auf die Krise«.
Wie Psychologie und Arbeitssicherheit ineinandergreifen, thematisierte Necla Fiege, Dipl.-Wirtschaftspsychologin und Fachkraft für Arbeitssicherheit in ihrem lebendigen Vortrag »Grundlagen menschlichen Handelns«. Sie machte deutlich, dass bei Menschen die meisten Handlungen und Verhaltensweisen unbewusst erfolgen.
Was Kommunikation in der SZP als Verbindungsmittel leistet, stellte der Österreicher Sacha Poscher in seinem Vortrag vor. Er ist Soziologe, Gerichts-Sachverständiger und geprüfter Erwachsenenbildner, Mitgeschäftsführer von »Verticalwork« und einziger FISAT-Ausbilder in Österreich. Seine umfangreiche Praxis führt ihn immer wieder zu einer Erkenntnis von Paul Watzlawick_ »Man kann nicht nicht kommunizieren.« Für eine erfolgreiche Kommunikation müssten Sender und Empfänger das gleiche Hintergrundwissen haben, um Signale, Nachrichten und Informationen in gleicher Weise zu Interpretieren und Missverständnissen vorzubeugen. »Bevor man an einem Seil hängt und anderen sein Leben anvertraut, muss das geklärt sein«, betont er im Gespräch mit der bauSICHERHEIT.

Zweierteams messen sich im sportlichen Wettbewerb
Der Nachmittag bot neben diversen Workshops, die thematisch meist das theoretisch Ge­hör­te in die Praxis brachten, wei­tere Themen für Prak­tiker und ­Anwender. So lud Sven Drangeid, FISAT-Geschäftsführer und Hauptorganisator der Veranstaltung, zu einer offenen Diskussion mit Brainstorming über die Frage »Fordert der Markt einen Rope Access Manager?« Ob es zwischen den operativ tätigen Teams und dem Baustellen-Koor­dinator künftig eine Schnittstelle braucht, wird wohl auf dem kommenden Technik­seminar am 5. und 6. Ok­to­ber in Dresden weiter diskutiert werden. Für diese nächste Veranstaltung konnten in diesem Workshop auch weitere Vorschläge und Ideen eingereicht und diskutiert werden.
Dass das Technikseminar von den Wurzeln her eine sportliche DNA hat, zeigte der zeitgleich stattfindende Wettbewerb, bei dem sich unter dem Motto »Knoten, Kräfte, Kommunikation und Kondition« Zweierteams in Sachen Technik und Teamwork beweisen mussten. Organisiert vom »Kölner Seil Kommando« und unterstützt von den Herstellern Edelrid und Teufelberger sowie FISAT-Zertifizierern wurde so die Veranstaltungshalle »Oktogon« zum anspruchsvollen Kletterparcours. Bei der Siegerehrung durften sich die erfolgreichen Teams über den Applaus kompetenter Kollegen ebenso freuen wie über Preise, die von den Ausstellungspartnern der FISAT-Veranstaltung zur Verfügung gestellt wurden.Hersteller und Anwender diskutieren Haltbarkeit
Rund um Vorträge, Workshops und Live-Vorführungen haben sich dem Fachpublikum zahlreiche Hersteller und Dienstleister präsentiert, darunter Ausrüster wie Petzl, ST-Quadrat/LUX-top oder Skylotec. Neben den genannten wie Edelrid und Teufelberger waren dies CT Climbing Technology, Courant, DMM, Singing Rock und der Versicherer AlpinProtect (mehr über die gezeigten Produkte auf den folgenden Seiten).
Lebendig geführt und kontrovers in den Standpunkten war die Podiumsdiskussion zum Thema »Alterung und Ablegereife von textilen Ausrüstungsgegenständen«. Unter der Moderation von Sascha Köhler ging es um die Frage, wie lang die Haltbarkeit textiler Aurüstungskomponenten anzusetzen ist und wie sie beurteilt werden soll. Walter Siebert (Siebert Consulting) vertrat den Standpunkt, dass Al­ters­angaben seitens der Hersteller überflüssig seien_ »Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Alter und Gefährdung«, sagte er. Sein Nebensitzer Peter Popall (Vizepräsident Petzl Distribution SAS) wies darauf hin, dass eine Norm keine Verpflichtung sei. »Wenn sie bindend wäre, gäbe es keine Neuprodukte auf dem Markt – schließlich dauert die Entwicklung einer Norm drei bis fünf Jahre«, wandte er ein. Diese Aussage habe allerdings im Streitfall vor Gericht keinerlei Bestand, entgegnete Siebert.
Knut Foppe (Ropemission) sagte, passend zum Thema, die schwierigsten Faktoren seien nicht durch eine Norm in den Griff zu bekommen_ »Die Ausrüstung ist immer einfacher zu kontrol­lieren als andere Faktoren wie Mensch oder Umwelt.« Dem konnte FISAT-Präsident Eric Kuhn, der als Geschäftsführer der Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH auf dem Podium saß, nur zustimmen_ »Speziell in diesem Kreis muss man sich auf die Kompetenz verlassen, dass Anwender die Verwendbarkeit der Ausrüstung korrekt beurteilen.«

Vertrauen und Vertrautheit bilden sicheres Netzwerk
Und dieser Kreis, das zeigte sich auch von Anfang bis Ende des 10. FISAT-Technikseminars, ist einer, der sich nicht nur durch großes Vertrauen seiner Mitglieder untereinander auszeichnet, sondern auch durch eine große Vertrautheit_ Die Akteure der Branche kennen sich, man trifft und unterstützt sich und es werden Netzwerke geknüpft – im wörtlichen Sinne und mit dem Ziel, dass keiner fällt.
Das 11. Technikseminar findet am 5. und 6. Oktober in Dresden auf dem Gelände der DGUV-Akademie statt. Geplant sind die Schwerpunktthemen »vertikale Fortbewegung« und »Wechselwirkungen im Arbeitssystem«.

 

Der Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT) vertritt seit 1995 die ­Interessen derer, die unter Verwendung seilgestützter Zugangs- und Positionierungsverfahren (SZP) an schwer zugängliche Orte gelangen und sich dort in diesem Seilsystem positionieren, um zu arbeiten oder Verunfallte zu retten. Der Verband setzt sich insbesondere für die körperliche, technische und rechtliche Sicherheit der Anwender der Seilzugangstechnik in Deutschland ein und ist in zahlreichen Gremien und Ausschüssen vertreten, um für die rechtliche Sicherheit zu sorgen. Der Verband mit Sitz in Berlin hat sich außerdem zur Aufgabe gemacht, die Akzeptanz von SZP sowie die körperliche und technische Sicherheit der Anwender stetig zu verbessern. Dazu hat der Verband ein dreistufiges Zertifizierungssystem entwickelt und zusätzlich ein Handbuch herausgegeben (Abbildung), in dem Empfehlungen zum korrekten Umgang mit der Seilzugangstechnik ausgesprochen werden. Des Weiteren veröffentlicht der Verband sowohl ­umfassende Informationen zu branchenrelevanten Entwicklungen als auch Sicherheitsmeldungen und Sicherheitshinweise zum ­Thema Unfallprävention und Geräterückruf. Nicht zuletzt veranstaltet der FISAT regelmäßig Fachveranstaltungen, bei denen die Teil­nehmer zum ­einen vom Wissen der Referenten aus unterschied­lichen Bereichen und zum anderen vom Networking profitieren.

Namen und Neuigkeiten

Arbeiten in der Höhe mit Sicherheit auf höchstem Niveau

Was einst als sportlicher Wettbewerb unter Höhen­arbeitern begann, hat sich mittlerweile zum hochrangigen Event für alle Aspekte von seilgestützten Zugangs- und Positionierungs­verfahren (SZP) entwickelt_ Zum mittlerweile 10. Technik­seminar, veranstaltet vom Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT), sind im November mehr als 200 Teilnehmer nach Essen ins »Oktogon« der Zeche Zollverein gekommen, um sich bei Vorträgen, Workshops und Diskussionen sowie durch Live-Vorführungen und Produkt-Präsentationen auf den neuesten Stand zu bringen.

Lesedauer: min

Von Jan Rieken
So unterschiedlich die etwa 210 Teilnehmer auch sein mögen, eins haben sie gemeinsam_ Jeder würde bei Arbeiten am Seil in gefährlicher Höhe seinem Kollegen jederzeit blind vertrauen und damit sein Leben in die Hände eines anderen legen. Mit Recht_ Während laut Unfallstatistik der BG Bau 40 % aller tödlichen Unfälle im Baugewerbe Abstürze als Ursache haben (die bauSICHERHEIT berichtete in Heft 6/17, Seite 51), ist es bei ­zertifizierten Anwendern von SZP in den vergangenen Jahren deutschlandweit zu keinen tödlichen Unfällen gekommen.Einsatz für Rechts- und Arbeitssicherheit
Dass das so bleibt, ist das erklärte Ziel des FISAT und seiner Mitglieder, die sich sowohl aus Her­stellern und Praktikern aus dem Bereich Höhenarbeit zusammensetzen. Nach der Gründung im Jahr 1995 hat sich der Verband im Laufe seiner Geschichte für verschiedenste Belange eingesetzt, nachdem es lange Zeit auch große Rechtsunsicherheit beim Einsatz seilunterstützter Zugangstechniken gab. Nachdem noch im Jahr 1994 Baustellen, auf denen SZP zum Einsatz kam, geschlossen wurden, brachte das Folgejahr mit der Verhüllung des Berliner Reichstags den Durchbruch_ Mitglieder des neu gegründeten FISAT waren Teil einer Delegation, die zum Fachausschuss Bau entsendet wurde. Zuvor hatte der heutige Generalsekretär Frank Seltenheim, damals noch kein FISAT-Mitglied, eine Ausnahmegenehmigung erwirkt für den Einsatz von SZP bei der Reichstagsverhüllung.
Bei der Erarbeitung von Normen und Standards für Sicherheit, Ausbildung und Zertifizierung arbeitet der Verband von Anfang an eng mit der Berufsgenossenschaft BAU zusammen, um für gleichbleibend hohe Sicherheit zu sorgen und einen unfallfreien Einsatz von Mensch und Material zu gewährleisten (s. Infokasten).
Heute gibt es eine Fülle von Regeln, Initiativen und Vorschriften – unter anderem regelt auf europäischer Ebene die Richtlinie 2009/104/EG, welche Arbeitsmittel für das zeitweilige Arbeiten an hochgelegenen Arbeitsplätzen bereitgestellt werden müssen. Diese Vorgaben sind als Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) in deutsches Recht übernommen und gelten nicht nur für SZP, sondern schließen auch Komponenten der Persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) mit ein, also Gerüste und Leitern. Weitere Vorgaben zur Vermeidung von Abstürzen machen die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS), für seil­gestützte Arbeiten in der Höhe insbesondere die TRBS 2121. Seit 2016 gibt es außerdem eine Info-Broschüre der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV-Information 212-001), die sich mit »Arbeiten unter Verwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren« befasst.»Faktor Mensch« steht im Mittelpunkt
Das FISAT-Seminar in der Essener Zeche Zollverein stand unter dem Motto »Faktor Mensch«; in einem weiteren Schwerpunktthema ging es um »Kräfte, Lastannahmen und Kräfteverteilung«. Kompetente Referenten, die teils auch als Aussteller bei der Veranstaltung vertreten waren, haben in Vorträgen und Workshops verschiedenste Aspekte der Höhenarbeit beleuchtet, darunter technische und physikalische sowie »weiche« Themen wie Kommunikation und psychische Aspekte menschlichen Handelns.
Den Auftakt zur Vortragsreihe am Freitagnachmittag machte Daniel Gebel, Produktentwickler für Absturzsicherungen bei Edelrid. Für den Hersteller von Seilen, Gurten, Karabinern und Helmen hat Gebel die Falldämpfernorm EN 355 unter die Lupe genommen und getestet, was passiert, wenn die Falldämpfung nicht mit den genormten 100-kg-Stahl­gewicht, sondern mit Menschen leichteren Gewichts erfolgt. Das Ergebnis hat das Publikum überrascht: Mit der »Fallmasse« Mensch ergaben sich bei den Fangstoßwerten je nach Fallhöhe Abweichungen von teilweise mehr als 80 % – je geringer die Fallhöhe, desto größer die Abweichung. Ob diese bei einem Menschen mit 70 kg ermittelte Ab­weichung zum Stahlgewicht ­konstant ist oder mit steigendem ­Gewicht und entsprechend zunehmender Schwab­belmasse ebenfalls steigt, ist noch offen. Stelle man den Menschen in den Fokus, müsse bei Falldämpfersystemen die Beschleunigung und nicht die Kraft betrachtet werden, forderte Gebel.

»Ich bin seit 15 Jahren ­Industriekletterer und nehme zum fünften Mal am FISAT-Technikseminar teil. Der Verband schafft es, Mindeststandards zu definieren und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie auch eingehalten werden. Es gibt in Österreich nichts Vergleichbares.«
Sacha Poscher, Referent
beim Technikseminar und einziger FISAT-Ausbilder in Österreich

Gesundheitskompetenz ist entscheidend
Dass es bei Arbeiten mit SZP immer auch um eine sorgfältige Beurteilung möglicher Gefahren geht, zog sich nicht nur wie ein roter Faden durch die gesamte Veranstaltung, sondern war auch Thema diverser Vorträge: Dr. Bernd Kranz von der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt Halle informierte über die Bemessung von Schweißnähten nach EN 1993 und warf die Frage in den Raum, ob Höhenarbeiter sich stets darüber bewusst seien, was die Wahl einer Schweißnaht als Anschlagpunkt für Risiken bergen könnte. »Prüfen Sie vorher, woran Ihr Leben hängen wird!« Diese Forderung verband er mit dem Hinweis auf spezielle Korrosionsschutz-Lehrgänge, für die es mittlerweile zur korrekten Gefahrenbeurteilung einen eintägigen Zusatzkurs für Höhenarbeiter gibt.
Prof. Dr.-Ing. Marco Einhaus, Sachgebietsleiter Hochbau bei der DGUV, stellte in seinem Vortrag »Gesundheitsvorsorge – Auftrag der DGUV« dar, wie der »Faktor Mensch« nicht nur Unfälle vermeiden kann, sondern auch gesundheitliche Beeinträchtigungen und Berufskrankheiten. Anhand aktueller Zahlen machte er aber auch klar, dass Höhenarbeiter differenzierte Maßnahmen ergreifen müssen, um jeden Abend unversehrt nach Hause zu kommen_ Während im Jahr 2017 die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle am Bau um 37 % auf 59 gestiegen ist, war bei 30 Ereignissen Absturz Ursache für den tödlichen Arbeitsunfall – eine Zunahme um 50 % (2016 waren es 20 tödliche Abstürze). Im Gespräch mit der bauSICHERHEIT macht er jedoch deutlich_ »Es passieren aber nur ganz wenig Unfälle mit SZP. Wir hatten keine tödlichen Abstürze, seit die Verfahren beschrieben sind – und wir sehen_ es funktioniert!«
In seinem Vortrag ging Marco Einhaus auf messbare Größen im Vorfeld wie die Gesundheitskompetenz (GK): »Sie beschreibt die Fähigkeiten und Fertigkeiten, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und für gesundheitsrelevante Entscheidungen anzuwenden.« Eine schwierige Herausforderung angesichts der großen Zahl an Normen, Richtlinien und Verordnungen. Um sie zu meistern, spielt Bildung und Sprachverständnis eine große Rolle.
Repräsentative Studien (HLS-EU-Q16) haben laut Einhaus ergeben, dass immerhin mehr als die Hälfte der Erwachsenen (55,8 %) eine »ausreichende« Gesundheitskompetenz hat; »problematisch« ist sie demnach bei 31,9 %, »inadäquat« bei 12,3 %. Signifikante Unterschiede wurden bezüglich Bildung, nicht aber in Bezug auf Geschlecht oder Alter der Befragten gefunden. Weiteres Ergebnis_ Menschen mit einem niedrigen GK-Level sind körperlich und psychisch bei schlechterer Gesundheit.

»Die Veranstaltung ist eine Art Familientreffen der Seil­zugangs- und Höhenarbeitsbranche. Für uns als Her­steller ist das Technik­seminar als Networking-Event ein gutes Pflaster, um Produktneuheiten vorzustellen,
über Trends in der Branche und technische Themen zu ­diskutieren und so Anregungen für zukünftige Entwicklungen zu bekommen.«
Patrick Johrendt,
Leiter »PSA gegen Absturz«,
Teufelberger Seil Ges.m.b.H.


 Neue Qualifizierung für aufsichtführende Personen
Welche Kennt­nisse und Qualifikationen aufsichtführende Personen (SZP-Level 3) künftig haben sollen, um die Anwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren zu beaufsichtigen, war weiteres Vortragsthema. Mehrere Berufsgenossenschaften arbeiten derzeit an Seminar-Konzepten, die die relevanten Kenntnisse vermitteln sollen.
Dipl.-Ing (FH) Tanja Kopp, Aufsichtsperson bei der BG Bau und stellvertretende Leiterin des Sachgebiets »PSA gegen Absturz und Retten«, stellte vor, welche Inhalte die BG Bau in welchen Kursen und ab wann anbieten will. Mit diesem Thema befasst sich ein eigener Arbeitskreis der BG Bau, in dem neben Dipl.-Ing. Wolfgang Schäper, DGUV-Sachgebietsleiter »PSA gegen Absturz/Rettungsausrüstungen« und weiteren BG-Experten auch der FISAT mitarbeitet_ Mit am Tisch sitzt Roland Klampfl, selbst Höhenarbeiter und beim FISAT Referatsleiter Sicherheit und Ausbildung. An einem zweitägigen ­Pilotseminar haben im letzten Juli 19 Prüfer und Ausbilder des FISAT teilgenommen.

Vortragsthemen in diversen Workshops weiter vertieft
In weiteren technisch orientierten Vorträgen wie beispielsweise von Christoph Hummel, Sicherheitsforscher beim Deutschen ­Alpenverein (DAV), ging es um alpinistische Aspekte der SZP wie »Ausgleichsverankerung und Reihenschaltung«. Praktisch hat er dieses Thema in zwei Workshops vertieft. Theoretische Aspekte von Anschlagpunkten beleuchteten Thorsten Behr, Sachkundiger für die Prüfung künstlicher Kletteranlagen, für den Bereich Bergsport und künstliche Kletteranlagen, sowie Walter Siebert, ebenfalls Sachverständiger, für den Bereich Hochseilgärten.Referent Tom Nickel, Mit­gründer und Ge­schäfts­führer von »Rope­men« sowie Ausbilder SZP und Mitglied des FISAT-Zertifiziererteams, stellte seine Erfahrungen bei auftretenden Lasten im Tragsystem vor, und zwar im Worst-case-Szenario mit unsauberer Technik und ungünstigen Konstellationen.
Markus Füss, Inhaber des Ingenieurbüros »Hochsicher« und Spezialist unter anderem für Sonderkonstruktionen mit Einzelzulassung, referierte über die Unterschiede zwischen »Work Load ­Limit« (WLL) auf der einen und Mindestbruchlast (MBL) auf der anderen Seite und ging insbesondere auf die Abgrenzung zur DIN EN 795 ein sowie die Frage_ »Dürfen sich SZP-Anschlagpunkte verformen?« Gemeinsam mit Marco Günther-Cotte, Fachbereichsleiter Industrie bei der Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH, stellte er im Anschluss praktische Beispiele für die Berechnung verschiedener Lastfälle vor. Günther-Cotte ist Dipl.-Bauingenieur, Referent des FISAT und »Erfinder« des Technikseminars.
Weniger um Physik und Technik, sondern mehr um den »Faktor Mensch« ging es bei zahlreichen weiteren Vorträgen, beispielsweise die Erhöhung der ­Gesundheitskompetenz durch Analyse von Stärken und Schwächen sowie von Chancen und Risiken_ Sonja Einhaus (B.Sc) stellte die in der strategischen Unternehmensanalyse häufig angewandte SWOT-Analyse vor und wie sie sich bei der Gesundheitsförderung von Höhenarbeitern einsetzen lässt. Ihre Kollegin Nina Landwehr vertiefte dieses Thema in einem entsprechenden Workshop mit praktischen Elementen.Management von Kommunikation und Krisen
Josef Sözbir, Coach und Berater sowie Inhaber von »Trainer­narbe«, berichtete über »Erfahrungen aus dem Krisenmanagement« und die Frage, wie man in Situationen menschlichen Leids mit sich, der Umgebung und dem Umfeld umgeht. Den Fokus legte er dabei auf das innere und äußere Krisenmanagement – beide Bereiche vertiefte er am Nachmittag in den Workshops »Der sichere Ort« und »Der Blick auf die Krise«.
Wie Psychologie und Arbeitssicherheit ineinandergreifen, thematisierte Necla Fiege, Dipl.-Wirtschaftspsychologin und Fachkraft für Arbeitssicherheit in ihrem lebendigen Vortrag »Grundlagen menschlichen Handelns«. Sie machte deutlich, dass bei Menschen die meisten Handlungen und Verhaltensweisen unbewusst erfolgen.
Was Kommunikation in der SZP als Verbindungsmittel leistet, stellte der Österreicher Sacha Poscher in seinem Vortrag vor. Er ist Soziologe, Gerichts-Sachverständiger und geprüfter Erwachsenenbildner, Mitgeschäftsführer von »Verticalwork« und einziger FISAT-Ausbilder in Österreich. Seine umfangreiche Praxis führt ihn immer wieder zu einer Erkenntnis von Paul Watzlawick_ »Man kann nicht nicht kommunizieren.« Für eine erfolgreiche Kommunikation müssten Sender und Empfänger das gleiche Hintergrundwissen haben, um Signale, Nachrichten und Informationen in gleicher Weise zu Interpretieren und Missverständnissen vorzubeugen. »Bevor man an einem Seil hängt und anderen sein Leben anvertraut, muss das geklärt sein«, betont er im Gespräch mit der bauSICHERHEIT.

Zweierteams messen sich im sportlichen Wettbewerb
Der Nachmittag bot neben diversen Workshops, die thematisch meist das theoretisch Ge­hör­te in die Praxis brachten, wei­tere Themen für Prak­tiker und ­Anwender. So lud Sven Drangeid, FISAT-Geschäftsführer und Hauptorganisator der Veranstaltung, zu einer offenen Diskussion mit Brainstorming über die Frage »Fordert der Markt einen Rope Access Manager?« Ob es zwischen den operativ tätigen Teams und dem Baustellen-Koor­dinator künftig eine Schnittstelle braucht, wird wohl auf dem kommenden Technik­seminar am 5. und 6. Ok­to­ber in Dresden weiter diskutiert werden. Für diese nächste Veranstaltung konnten in diesem Workshop auch weitere Vorschläge und Ideen eingereicht und diskutiert werden.
Dass das Technikseminar von den Wurzeln her eine sportliche DNA hat, zeigte der zeitgleich stattfindende Wettbewerb, bei dem sich unter dem Motto »Knoten, Kräfte, Kommunikation und Kondition« Zweierteams in Sachen Technik und Teamwork beweisen mussten. Organisiert vom »Kölner Seil Kommando« und unterstützt von den Herstellern Edelrid und Teufelberger sowie FISAT-Zertifizierern wurde so die Veranstaltungshalle »Oktogon« zum anspruchsvollen Kletterparcours. Bei der Siegerehrung durften sich die erfolgreichen Teams über den Applaus kompetenter Kollegen ebenso freuen wie über Preise, die von den Ausstellungspartnern der FISAT-Veranstaltung zur Verfügung gestellt wurden.Hersteller und Anwender diskutieren Haltbarkeit
Rund um Vorträge, Workshops und Live-Vorführungen haben sich dem Fachpublikum zahlreiche Hersteller und Dienstleister präsentiert, darunter Ausrüster wie Petzl, ST-Quadrat/LUX-top oder Skylotec. Neben den genannten wie Edelrid und Teufelberger waren dies CT Climbing Technology, Courant, DMM, Singing Rock und der Versicherer AlpinProtect (mehr über die gezeigten Produkte auf den folgenden Seiten).
Lebendig geführt und kontrovers in den Standpunkten war die Podiumsdiskussion zum Thema »Alterung und Ablegereife von textilen Ausrüstungsgegenständen«. Unter der Moderation von Sascha Köhler ging es um die Frage, wie lang die Haltbarkeit textiler Aurüstungskomponenten anzusetzen ist und wie sie beurteilt werden soll. Walter Siebert (Siebert Consulting) vertrat den Standpunkt, dass Al­ters­angaben seitens der Hersteller überflüssig seien_ »Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Alter und Gefährdung«, sagte er. Sein Nebensitzer Peter Popall (Vizepräsident Petzl Distribution SAS) wies darauf hin, dass eine Norm keine Verpflichtung sei. »Wenn sie bindend wäre, gäbe es keine Neuprodukte auf dem Markt – schließlich dauert die Entwicklung einer Norm drei bis fünf Jahre«, wandte er ein. Diese Aussage habe allerdings im Streitfall vor Gericht keinerlei Bestand, entgegnete Siebert.
Knut Foppe (Ropemission) sagte, passend zum Thema, die schwierigsten Faktoren seien nicht durch eine Norm in den Griff zu bekommen_ »Die Ausrüstung ist immer einfacher zu kontrol­lieren als andere Faktoren wie Mensch oder Umwelt.« Dem konnte FISAT-Präsident Eric Kuhn, der als Geschäftsführer der Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH auf dem Podium saß, nur zustimmen_ »Speziell in diesem Kreis muss man sich auf die Kompetenz verlassen, dass Anwender die Verwendbarkeit der Ausrüstung korrekt beurteilen.«

Vertrauen und Vertrautheit bilden sicheres Netzwerk
Und dieser Kreis, das zeigte sich auch von Anfang bis Ende des 10. FISAT-Technikseminars, ist einer, der sich nicht nur durch großes Vertrauen seiner Mitglieder untereinander auszeichnet, sondern auch durch eine große Vertrautheit_ Die Akteure der Branche kennen sich, man trifft und unterstützt sich und es werden Netzwerke geknüpft – im wörtlichen Sinne und mit dem Ziel, dass keiner fällt.
Das 11. Technikseminar findet am 5. und 6. Oktober in Dresden auf dem Gelände der DGUV-Akademie statt. Geplant sind die Schwerpunktthemen »vertikale Fortbewegung« und »Wechselwirkungen im Arbeitssystem«.

 

Der Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT) vertritt seit 1995 die ­Interessen derer, die unter Verwendung seilgestützter Zugangs- und Positionierungsverfahren (SZP) an schwer zugängliche Orte gelangen und sich dort in diesem Seilsystem positionieren, um zu arbeiten oder Verunfallte zu retten. Der Verband setzt sich insbesondere für die körperliche, technische und rechtliche Sicherheit der Anwender der Seilzugangstechnik in Deutschland ein und ist in zahlreichen Gremien und Ausschüssen vertreten, um für die rechtliche Sicherheit zu sorgen. Der Verband mit Sitz in Berlin hat sich außerdem zur Aufgabe gemacht, die Akzeptanz von SZP sowie die körperliche und technische Sicherheit der Anwender stetig zu verbessern. Dazu hat der Verband ein dreistufiges Zertifizierungssystem entwickelt und zusätzlich ein Handbuch herausgegeben (Abbildung), in dem Empfehlungen zum korrekten Umgang mit der Seilzugangstechnik ausgesprochen werden. Des Weiteren veröffentlicht der Verband sowohl ­umfassende Informationen zu branchenrelevanten Entwicklungen als auch Sicherheitsmeldungen und Sicherheitshinweise zum ­Thema Unfallprävention und Geräterückruf. Nicht zuletzt veranstaltet der FISAT regelmäßig Fachveranstaltungen, bei denen die Teil­nehmer zum ­einen vom Wissen der Referenten aus unterschied­lichen Bereichen und zum anderen vom Networking profitieren.

Messen, Seminare, Termine

Arbeiten in der Höhe mit Sicherheit auf höchstem Niveau

Was einst als sportlicher Wettbewerb unter Höhen­arbeitern begann, hat sich mittlerweile zum hochrangigen Event für alle Aspekte von seilgestützten Zugangs- und Positionierungs­verfahren (SZP) entwickelt_ Zum mittlerweile 10. Technik­seminar, veranstaltet vom Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT), sind im November mehr als 200 Teilnehmer nach Essen ins »Oktogon« der Zeche Zollverein gekommen, um sich bei Vorträgen, Workshops und Diskussionen sowie durch Live-Vorführungen und Produkt-Präsentationen auf den neuesten Stand zu bringen.

Lesedauer: min

Von Jan Rieken
So unterschiedlich die etwa 210 Teilnehmer auch sein mögen, eins haben sie gemeinsam_ Jeder würde bei Arbeiten am Seil in gefährlicher Höhe seinem Kollegen jederzeit blind vertrauen und damit sein Leben in die Hände eines anderen legen. Mit Recht_ Während laut Unfallstatistik der BG Bau 40 % aller tödlichen Unfälle im Baugewerbe Abstürze als Ursache haben (die bauSICHERHEIT berichtete in Heft 6/17, Seite 51), ist es bei ­zertifizierten Anwendern von SZP in den vergangenen Jahren deutschlandweit zu keinen tödlichen Unfällen gekommen.Einsatz für Rechts- und Arbeitssicherheit
Dass das so bleibt, ist das erklärte Ziel des FISAT und seiner Mitglieder, die sich sowohl aus Her­stellern und Praktikern aus dem Bereich Höhenarbeit zusammensetzen. Nach der Gründung im Jahr 1995 hat sich der Verband im Laufe seiner Geschichte für verschiedenste Belange eingesetzt, nachdem es lange Zeit auch große Rechtsunsicherheit beim Einsatz seilunterstützter Zugangstechniken gab. Nachdem noch im Jahr 1994 Baustellen, auf denen SZP zum Einsatz kam, geschlossen wurden, brachte das Folgejahr mit der Verhüllung des Berliner Reichstags den Durchbruch_ Mitglieder des neu gegründeten FISAT waren Teil einer Delegation, die zum Fachausschuss Bau entsendet wurde. Zuvor hatte der heutige Generalsekretär Frank Seltenheim, damals noch kein FISAT-Mitglied, eine Ausnahmegenehmigung erwirkt für den Einsatz von SZP bei der Reichstagsverhüllung.
Bei der Erarbeitung von Normen und Standards für Sicherheit, Ausbildung und Zertifizierung arbeitet der Verband von Anfang an eng mit der Berufsgenossenschaft BAU zusammen, um für gleichbleibend hohe Sicherheit zu sorgen und einen unfallfreien Einsatz von Mensch und Material zu gewährleisten (s. Infokasten).
Heute gibt es eine Fülle von Regeln, Initiativen und Vorschriften – unter anderem regelt auf europäischer Ebene die Richtlinie 2009/104/EG, welche Arbeitsmittel für das zeitweilige Arbeiten an hochgelegenen Arbeitsplätzen bereitgestellt werden müssen. Diese Vorgaben sind als Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) in deutsches Recht übernommen und gelten nicht nur für SZP, sondern schließen auch Komponenten der Persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) mit ein, also Gerüste und Leitern. Weitere Vorgaben zur Vermeidung von Abstürzen machen die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS), für seil­gestützte Arbeiten in der Höhe insbesondere die TRBS 2121. Seit 2016 gibt es außerdem eine Info-Broschüre der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV-Information 212-001), die sich mit »Arbeiten unter Verwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren« befasst.»Faktor Mensch« steht im Mittelpunkt
Das FISAT-Seminar in der Essener Zeche Zollverein stand unter dem Motto »Faktor Mensch«; in einem weiteren Schwerpunktthema ging es um »Kräfte, Lastannahmen und Kräfteverteilung«. Kompetente Referenten, die teils auch als Aussteller bei der Veranstaltung vertreten waren, haben in Vorträgen und Workshops verschiedenste Aspekte der Höhenarbeit beleuchtet, darunter technische und physikalische sowie »weiche« Themen wie Kommunikation und psychische Aspekte menschlichen Handelns.
Den Auftakt zur Vortragsreihe am Freitagnachmittag machte Daniel Gebel, Produktentwickler für Absturzsicherungen bei Edelrid. Für den Hersteller von Seilen, Gurten, Karabinern und Helmen hat Gebel die Falldämpfernorm EN 355 unter die Lupe genommen und getestet, was passiert, wenn die Falldämpfung nicht mit den genormten 100-kg-Stahl­gewicht, sondern mit Menschen leichteren Gewichts erfolgt. Das Ergebnis hat das Publikum überrascht: Mit der »Fallmasse« Mensch ergaben sich bei den Fangstoßwerten je nach Fallhöhe Abweichungen von teilweise mehr als 80 % – je geringer die Fallhöhe, desto größer die Abweichung. Ob diese bei einem Menschen mit 70 kg ermittelte Ab­weichung zum Stahlgewicht ­konstant ist oder mit steigendem ­Gewicht und entsprechend zunehmender Schwab­belmasse ebenfalls steigt, ist noch offen. Stelle man den Menschen in den Fokus, müsse bei Falldämpfersystemen die Beschleunigung und nicht die Kraft betrachtet werden, forderte Gebel.

»Ich bin seit 15 Jahren ­Industriekletterer und nehme zum fünften Mal am FISAT-Technikseminar teil. Der Verband schafft es, Mindeststandards zu definieren und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie auch eingehalten werden. Es gibt in Österreich nichts Vergleichbares.«
Sacha Poscher, Referent
beim Technikseminar und einziger FISAT-Ausbilder in Österreich

Gesundheitskompetenz ist entscheidend
Dass es bei Arbeiten mit SZP immer auch um eine sorgfältige Beurteilung möglicher Gefahren geht, zog sich nicht nur wie ein roter Faden durch die gesamte Veranstaltung, sondern war auch Thema diverser Vorträge: Dr. Bernd Kranz von der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt Halle informierte über die Bemessung von Schweißnähten nach EN 1993 und warf die Frage in den Raum, ob Höhenarbeiter sich stets darüber bewusst seien, was die Wahl einer Schweißnaht als Anschlagpunkt für Risiken bergen könnte. »Prüfen Sie vorher, woran Ihr Leben hängen wird!« Diese Forderung verband er mit dem Hinweis auf spezielle Korrosionsschutz-Lehrgänge, für die es mittlerweile zur korrekten Gefahrenbeurteilung einen eintägigen Zusatzkurs für Höhenarbeiter gibt.
Prof. Dr.-Ing. Marco Einhaus, Sachgebietsleiter Hochbau bei der DGUV, stellte in seinem Vortrag »Gesundheitsvorsorge – Auftrag der DGUV« dar, wie der »Faktor Mensch« nicht nur Unfälle vermeiden kann, sondern auch gesundheitliche Beeinträchtigungen und Berufskrankheiten. Anhand aktueller Zahlen machte er aber auch klar, dass Höhenarbeiter differenzierte Maßnahmen ergreifen müssen, um jeden Abend unversehrt nach Hause zu kommen_ Während im Jahr 2017 die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle am Bau um 37 % auf 59 gestiegen ist, war bei 30 Ereignissen Absturz Ursache für den tödlichen Arbeitsunfall – eine Zunahme um 50 % (2016 waren es 20 tödliche Abstürze). Im Gespräch mit der bauSICHERHEIT macht er jedoch deutlich_ »Es passieren aber nur ganz wenig Unfälle mit SZP. Wir hatten keine tödlichen Abstürze, seit die Verfahren beschrieben sind – und wir sehen_ es funktioniert!«
In seinem Vortrag ging Marco Einhaus auf messbare Größen im Vorfeld wie die Gesundheitskompetenz (GK): »Sie beschreibt die Fähigkeiten und Fertigkeiten, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und für gesundheitsrelevante Entscheidungen anzuwenden.« Eine schwierige Herausforderung angesichts der großen Zahl an Normen, Richtlinien und Verordnungen. Um sie zu meistern, spielt Bildung und Sprachverständnis eine große Rolle.
Repräsentative Studien (HLS-EU-Q16) haben laut Einhaus ergeben, dass immerhin mehr als die Hälfte der Erwachsenen (55,8 %) eine »ausreichende« Gesundheitskompetenz hat; »problematisch« ist sie demnach bei 31,9 %, »inadäquat« bei 12,3 %. Signifikante Unterschiede wurden bezüglich Bildung, nicht aber in Bezug auf Geschlecht oder Alter der Befragten gefunden. Weiteres Ergebnis_ Menschen mit einem niedrigen GK-Level sind körperlich und psychisch bei schlechterer Gesundheit.

»Die Veranstaltung ist eine Art Familientreffen der Seil­zugangs- und Höhenarbeitsbranche. Für uns als Her­steller ist das Technik­seminar als Networking-Event ein gutes Pflaster, um Produktneuheiten vorzustellen,
über Trends in der Branche und technische Themen zu ­diskutieren und so Anregungen für zukünftige Entwicklungen zu bekommen.«
Patrick Johrendt,
Leiter »PSA gegen Absturz«,
Teufelberger Seil Ges.m.b.H.


 Neue Qualifizierung für aufsichtführende Personen
Welche Kennt­nisse und Qualifikationen aufsichtführende Personen (SZP-Level 3) künftig haben sollen, um die Anwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren zu beaufsichtigen, war weiteres Vortragsthema. Mehrere Berufsgenossenschaften arbeiten derzeit an Seminar-Konzepten, die die relevanten Kenntnisse vermitteln sollen.
Dipl.-Ing (FH) Tanja Kopp, Aufsichtsperson bei der BG Bau und stellvertretende Leiterin des Sachgebiets »PSA gegen Absturz und Retten«, stellte vor, welche Inhalte die BG Bau in welchen Kursen und ab wann anbieten will. Mit diesem Thema befasst sich ein eigener Arbeitskreis der BG Bau, in dem neben Dipl.-Ing. Wolfgang Schäper, DGUV-Sachgebietsleiter »PSA gegen Absturz/Rettungsausrüstungen« und weiteren BG-Experten auch der FISAT mitarbeitet_ Mit am Tisch sitzt Roland Klampfl, selbst Höhenarbeiter und beim FISAT Referatsleiter Sicherheit und Ausbildung. An einem zweitägigen ­Pilotseminar haben im letzten Juli 19 Prüfer und Ausbilder des FISAT teilgenommen.

Vortragsthemen in diversen Workshops weiter vertieft
In weiteren technisch orientierten Vorträgen wie beispielsweise von Christoph Hummel, Sicherheitsforscher beim Deutschen ­Alpenverein (DAV), ging es um alpinistische Aspekte der SZP wie »Ausgleichsverankerung und Reihenschaltung«. Praktisch hat er dieses Thema in zwei Workshops vertieft. Theoretische Aspekte von Anschlagpunkten beleuchteten Thorsten Behr, Sachkundiger für die Prüfung künstlicher Kletteranlagen, für den Bereich Bergsport und künstliche Kletteranlagen, sowie Walter Siebert, ebenfalls Sachverständiger, für den Bereich Hochseilgärten.Referent Tom Nickel, Mit­gründer und Ge­schäfts­führer von »Rope­men« sowie Ausbilder SZP und Mitglied des FISAT-Zertifiziererteams, stellte seine Erfahrungen bei auftretenden Lasten im Tragsystem vor, und zwar im Worst-case-Szenario mit unsauberer Technik und ungünstigen Konstellationen.
Markus Füss, Inhaber des Ingenieurbüros »Hochsicher« und Spezialist unter anderem für Sonderkonstruktionen mit Einzelzulassung, referierte über die Unterschiede zwischen »Work Load ­Limit« (WLL) auf der einen und Mindestbruchlast (MBL) auf der anderen Seite und ging insbesondere auf die Abgrenzung zur DIN EN 795 ein sowie die Frage_ »Dürfen sich SZP-Anschlagpunkte verformen?« Gemeinsam mit Marco Günther-Cotte, Fachbereichsleiter Industrie bei der Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH, stellte er im Anschluss praktische Beispiele für die Berechnung verschiedener Lastfälle vor. Günther-Cotte ist Dipl.-Bauingenieur, Referent des FISAT und »Erfinder« des Technikseminars.
Weniger um Physik und Technik, sondern mehr um den »Faktor Mensch« ging es bei zahlreichen weiteren Vorträgen, beispielsweise die Erhöhung der ­Gesundheitskompetenz durch Analyse von Stärken und Schwächen sowie von Chancen und Risiken_ Sonja Einhaus (B.Sc) stellte die in der strategischen Unternehmensanalyse häufig angewandte SWOT-Analyse vor und wie sie sich bei der Gesundheitsförderung von Höhenarbeitern einsetzen lässt. Ihre Kollegin Nina Landwehr vertiefte dieses Thema in einem entsprechenden Workshop mit praktischen Elementen.Management von Kommunikation und Krisen
Josef Sözbir, Coach und Berater sowie Inhaber von »Trainer­narbe«, berichtete über »Erfahrungen aus dem Krisenmanagement« und die Frage, wie man in Situationen menschlichen Leids mit sich, der Umgebung und dem Umfeld umgeht. Den Fokus legte er dabei auf das innere und äußere Krisenmanagement – beide Bereiche vertiefte er am Nachmittag in den Workshops »Der sichere Ort« und »Der Blick auf die Krise«.
Wie Psychologie und Arbeitssicherheit ineinandergreifen, thematisierte Necla Fiege, Dipl.-Wirtschaftspsychologin und Fachkraft für Arbeitssicherheit in ihrem lebendigen Vortrag »Grundlagen menschlichen Handelns«. Sie machte deutlich, dass bei Menschen die meisten Handlungen und Verhaltensweisen unbewusst erfolgen.
Was Kommunikation in der SZP als Verbindungsmittel leistet, stellte der Österreicher Sacha Poscher in seinem Vortrag vor. Er ist Soziologe, Gerichts-Sachverständiger und geprüfter Erwachsenenbildner, Mitgeschäftsführer von »Verticalwork« und einziger FISAT-Ausbilder in Österreich. Seine umfangreiche Praxis führt ihn immer wieder zu einer Erkenntnis von Paul Watzlawick_ »Man kann nicht nicht kommunizieren.« Für eine erfolgreiche Kommunikation müssten Sender und Empfänger das gleiche Hintergrundwissen haben, um Signale, Nachrichten und Informationen in gleicher Weise zu Interpretieren und Missverständnissen vorzubeugen. »Bevor man an einem Seil hängt und anderen sein Leben anvertraut, muss das geklärt sein«, betont er im Gespräch mit der bauSICHERHEIT.

Zweierteams messen sich im sportlichen Wettbewerb
Der Nachmittag bot neben diversen Workshops, die thematisch meist das theoretisch Ge­hör­te in die Praxis brachten, wei­tere Themen für Prak­tiker und ­Anwender. So lud Sven Drangeid, FISAT-Geschäftsführer und Hauptorganisator der Veranstaltung, zu einer offenen Diskussion mit Brainstorming über die Frage »Fordert der Markt einen Rope Access Manager?« Ob es zwischen den operativ tätigen Teams und dem Baustellen-Koor­dinator künftig eine Schnittstelle braucht, wird wohl auf dem kommenden Technik­seminar am 5. und 6. Ok­to­ber in Dresden weiter diskutiert werden. Für diese nächste Veranstaltung konnten in diesem Workshop auch weitere Vorschläge und Ideen eingereicht und diskutiert werden.
Dass das Technikseminar von den Wurzeln her eine sportliche DNA hat, zeigte der zeitgleich stattfindende Wettbewerb, bei dem sich unter dem Motto »Knoten, Kräfte, Kommunikation und Kondition« Zweierteams in Sachen Technik und Teamwork beweisen mussten. Organisiert vom »Kölner Seil Kommando« und unterstützt von den Herstellern Edelrid und Teufelberger sowie FISAT-Zertifizierern wurde so die Veranstaltungshalle »Oktogon« zum anspruchsvollen Kletterparcours. Bei der Siegerehrung durften sich die erfolgreichen Teams über den Applaus kompetenter Kollegen ebenso freuen wie über Preise, die von den Ausstellungspartnern der FISAT-Veranstaltung zur Verfügung gestellt wurden.Hersteller und Anwender diskutieren Haltbarkeit
Rund um Vorträge, Workshops und Live-Vorführungen haben sich dem Fachpublikum zahlreiche Hersteller und Dienstleister präsentiert, darunter Ausrüster wie Petzl, ST-Quadrat/LUX-top oder Skylotec. Neben den genannten wie Edelrid und Teufelberger waren dies CT Climbing Technology, Courant, DMM, Singing Rock und der Versicherer AlpinProtect (mehr über die gezeigten Produkte auf den folgenden Seiten).
Lebendig geführt und kontrovers in den Standpunkten war die Podiumsdiskussion zum Thema »Alterung und Ablegereife von textilen Ausrüstungsgegenständen«. Unter der Moderation von Sascha Köhler ging es um die Frage, wie lang die Haltbarkeit textiler Aurüstungskomponenten anzusetzen ist und wie sie beurteilt werden soll. Walter Siebert (Siebert Consulting) vertrat den Standpunkt, dass Al­ters­angaben seitens der Hersteller überflüssig seien_ »Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Alter und Gefährdung«, sagte er. Sein Nebensitzer Peter Popall (Vizepräsident Petzl Distribution SAS) wies darauf hin, dass eine Norm keine Verpflichtung sei. »Wenn sie bindend wäre, gäbe es keine Neuprodukte auf dem Markt – schließlich dauert die Entwicklung einer Norm drei bis fünf Jahre«, wandte er ein. Diese Aussage habe allerdings im Streitfall vor Gericht keinerlei Bestand, entgegnete Siebert.
Knut Foppe (Ropemission) sagte, passend zum Thema, die schwierigsten Faktoren seien nicht durch eine Norm in den Griff zu bekommen_ »Die Ausrüstung ist immer einfacher zu kontrol­lieren als andere Faktoren wie Mensch oder Umwelt.« Dem konnte FISAT-Präsident Eric Kuhn, der als Geschäftsführer der Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH auf dem Podium saß, nur zustimmen_ »Speziell in diesem Kreis muss man sich auf die Kompetenz verlassen, dass Anwender die Verwendbarkeit der Ausrüstung korrekt beurteilen.«

Vertrauen und Vertrautheit bilden sicheres Netzwerk
Und dieser Kreis, das zeigte sich auch von Anfang bis Ende des 10. FISAT-Technikseminars, ist einer, der sich nicht nur durch großes Vertrauen seiner Mitglieder untereinander auszeichnet, sondern auch durch eine große Vertrautheit_ Die Akteure der Branche kennen sich, man trifft und unterstützt sich und es werden Netzwerke geknüpft – im wörtlichen Sinne und mit dem Ziel, dass keiner fällt.
Das 11. Technikseminar findet am 5. und 6. Oktober in Dresden auf dem Gelände der DGUV-Akademie statt. Geplant sind die Schwerpunktthemen »vertikale Fortbewegung« und »Wechselwirkungen im Arbeitssystem«.

 

Der Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT) vertritt seit 1995 die ­Interessen derer, die unter Verwendung seilgestützter Zugangs- und Positionierungsverfahren (SZP) an schwer zugängliche Orte gelangen und sich dort in diesem Seilsystem positionieren, um zu arbeiten oder Verunfallte zu retten. Der Verband setzt sich insbesondere für die körperliche, technische und rechtliche Sicherheit der Anwender der Seilzugangstechnik in Deutschland ein und ist in zahlreichen Gremien und Ausschüssen vertreten, um für die rechtliche Sicherheit zu sorgen. Der Verband mit Sitz in Berlin hat sich außerdem zur Aufgabe gemacht, die Akzeptanz von SZP sowie die körperliche und technische Sicherheit der Anwender stetig zu verbessern. Dazu hat der Verband ein dreistufiges Zertifizierungssystem entwickelt und zusätzlich ein Handbuch herausgegeben (Abbildung), in dem Empfehlungen zum korrekten Umgang mit der Seilzugangstechnik ausgesprochen werden. Des Weiteren veröffentlicht der Verband sowohl ­umfassende Informationen zu branchenrelevanten Entwicklungen als auch Sicherheitsmeldungen und Sicherheitshinweise zum ­Thema Unfallprävention und Geräterückruf. Nicht zuletzt veranstaltet der FISAT regelmäßig Fachveranstaltungen, bei denen die Teil­nehmer zum ­einen vom Wissen der Referenten aus unterschied­lichen Bereichen und zum anderen vom Networking profitieren.
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